Ridley Scotts Prometheus hat weltweit schon über 300 Millionen Dollar eingespielt. Doch der bisher größte Erfolg des Regisseurs spielte nicht in den Weiten des Alls sondern im antiken Rom: Gladiator belebte vor zwölf Jahren den Sandalenfilm wieder.
Aus interpretatorischen Gründen wird auch in dieser Kritik das Ende verraten.
Der Ausgangskonflikt von Gladiator hätte aus Shakespeares Feder stammen
können: Der scheidende Kaiser Markus Aurelius möchte den römischen
Feldherren Maximus als seinen Nachfolger bestimmen, da er ihn für
tugendhafter hält als seinen eigenen Sohn Commodus. Als jener davon
erfährt, tötet er kurzerhand seinen Vater, reißt die Macht an sich und
lässt Maximus zur Exekution in den Wald bringen. Da dieser nicht die
junge Unschuld eines Schneewittchen zum Einsatz bringen kann, um seine
Henker vom Gegenteil zu überzeugen, bringt er diese kurzerhand um, kann
jedoch nicht rechtzeitig zu Hause eintreffen, um die Ermordung seiner
Familie zu verhindern. Als er in die Gladiatoren-Schule des Proximo
verschleppt wird und dort immer erfolgreicher wird, bietet sich ihm in
Rom die Chance, mit Hilfe von Commodus Schwester Lucilla den Sturz des
unrechtmäßigen Herrschers herbeizuführen.
Wenn der Protagonist des Filmes am Anfang in der germanischen Kälte
steht und sich vorstellt, durch die heimischen Kornfelder zu streifen,
wird schnell klar, dass das hauptsächliche Ziel unseres Helden nicht
Ruhm und Ehre ist, sondern bei seiner Familie zu sein. Ein geschickter
Kniff, der der Hauptfigur nicht nur mehr Tiefe verleiht, sondern es
schafft, den eigentlich tragischen Ausgang der Geschichte in ein Happy
End zu verwandeln. Die Vorstellung, im Jenseits wieder mit der
verstorbenen Familie vereint zu sein, wird in Gesprächen mit anderen
Gladiatoren immer wieder thematisiert und so ist der Heldentot des
Maximus und die Wiedervereinigung mit Sohn und Frau im Jenseits fast der
größere Sieg, als die schlussendliche Ermordung des tyrannischen
Herrschers.
Insgesamt ist Gladiator dennoch alles andere als perfekt. Wie der
Shakespeare-Vergleich schon nahelegt, ist die Story nicht gerade
besonders neu, sondern bedient sich ausgiebig klassischer Archetypen
(die Mentoren Aurelius und Proximo, der Schatten Commodus und die Gestaltwandlerin Lucilla, bei der am Anfang unklar ist, auf wessen Seite sie steht) und
dem Story-Schema der Reise des Helden (Protagonist muss sich in neuer
Welt bewähren und eine steigende Anzahl an Prüfungen bewältigen, bis er
am Ende dem größten Widersacher gegenüber steht). Während die Geschichte
natürlich an die tatsächlichen historischen Ereignissen nur angelehnt
ist (das hat Shakespeare ja nicht anders gemacht), ist es besonders
fragwürdig, warum in Kostümdesign, Schlachten und der Darstellung Roms
kein Versuch unternommen wurde, einigermaßen historisch korrekt zu sein.
Dass sich bei einer Fantasy-Trilogie wie Der Herr der Ringe die Mühe
gemacht wurde, selbst im kleinsten Detail den pseudohistorischen
Beschreibungen der Geschichte Mittelerdes treu zu bleiben, während bei
Gladiator im Design von Kostümen, Waffen und Architektur alle
geschichtlichen Zeitalter einfach bunt durcheinandergewürfelt wurden,
ist schon bezeichnend.
Dass Kostümdesigner Janty Yates dennoch einen Oscar bekommen hat, ist
aber nachvollziehbar, denn schön anzusehen ist die Garderobe auf jeden
Fall, was insgesamt auf den ganzen Film zutrifft. Wenn in gekonnt
komponierten Bildern (bis auf die in ihrer geringen Bildwechselfrequenz
störend stockenden Zeitlupen) in prachtvollen Kostümen durch das
größtenteils computeranimierte Rom stolziert wird, ist das durchaus eine
sehenswerte Angelegenheit und die ordentliche Dosis Pathos, die die
Dialoge der gut aufgelegten Schauspieler versprühen, macht die ganze
Geschichte doch recht unterhaltsam, wenn man sich darauf einlässt. Dass
Komponist Hans Zimmer hier seine immer gleich klingenden Streicherthemen
raushaut (ich dachte manchmal echt, gleich kommt Batman in die Arena)
passt da eher schlecht in das Gesamtbild. Warum hier nicht jemand wie
Howard Shore an den Taktstock gelassen wurde, ist schwer
nachvollziehbar, aber auf der technischen Seite wirklich das einzige
Manko.
Insgesamt ist Gladiator ein gelungener moderner Sandalenfilm, den man
zwar nicht unbedingt gesehen werden muss, der sich aber neben Klassikern
des Genres wie Ben Hur (der ja, wenn man ehrlich ist, auch nicht viel gehaltvoller war) keineswegs verstecken muss.