Montag, 28. Januar 2013

Filmkritik: Die Asche meiner Mutter (1999)

„Schlimmer als die normale unglückliche Kindheit ist die unglückliche irische Kindheit, und noch schlimmer ist die unglückliche irische katholische Kindheit.“ Alan Parkers Verfilmung der Autobiografie von Frank McCourt ist vieles, aber mit Sicherheit kein Feel-Good-Movie.

Frank (Joe Breen) wird 1930 als Sohn mittelloser irischer Einwanderer in New York geboren. Er hat drei jüngere Brüder: Malachy (Shane Murray-Corcoran) und die Zwillinge Eugene (Ben O'Gorman) und Oliver (Sam O'Gorman). Nachdem Franks einzige Schwester wenige Tage nach der Geburt stirbt, beschließt die Familie, in die Heimat der Mutter Angela (Emily Watson) zu ziehen: Die Stadt Limerick im Südwesten Irlands. Doch auch hier lebt Familie McCourt in großer Armut, was zum baldigen Tod der beiden Zwillinge führt. Vater Malachy (Robert Carlyle) hat aufgrund seiner nordirischen Abstammung Schwierigkeiten, einen Job zu bekommen und als er schließlich doch eine Stelle ergattert, vertrinkt er sein Gehalt in der Kneipe. Als Frank älter wird (nun gespielt von Ciaran Owens), versucht er selbst durch die Auslieferung von Kohle Geld zu verdienen, doch eine schwere Bindehautentzündung zwingt ihn, den Nebenjob schnell wieder auszugeben. Aber Frank gibt nicht auf, denn er hat einen großen Traum, den er um alles in der Welt erreichen will: Genug Geld sparen, um zurück nach New York fahren zu können...

Regisseur Alan Parker
Die Autobiografie Angela's Ashes des Schriftstellers Frank McCourt erschien 1996 und wurde mit dem Pulitzer-Preis ausgezeichnet. Doch die Darstellung der ärmlichen Verhältnisse im Limerick der 30er Jahre stieß auch auf Kritik: So verspürte der dort aufgewachsene Schauspieler Richard Harris (u.a. bekannt als Schulleiter Dumbledore in den ersten beiden Harry-Potter-Filmen) viel Hass und Bitterkeit in McCourts Erinnerungen an seine Heimat, die er nicht nachvollziehen könne. Dennoch war das Buch recht erfolgreich und weckte somit das Interesse Hollywoods. Der zweifach Oscar-nominierte Alan Parker wurde als Regisseur verpflichtet und nach einigen Vorpremieren im Dezember 1999 kam Die Asche meiner Mutter schließlich am 14. Januar 2000 in die amerikanischen und britischen Kinos. Doch der Film erntete lediglich gemischte Kritiken und wurde schließlich zu einem großen Flop.

Dass es sich hierbei um keinen Blockbuster handeln würde, war natürlich schon vorher absehbar. Denn auch wenn Robert Carlyle durch seine Hauptrolle in der Komödie Ganz oder gar nicht schon einem größeren Publikum bekannt geworden war und Emily Watson sogar schon zweimal für den Oscar nominiert wurde, waren die Darsteller von Franks Eltern natürlich nicht die großen Stars, die ein Massenpublikum in die Kinos locken würden. Und auch die eher deprimierende Geschichte ist nicht gerade dafür geeignet, eine große Mundpropaganda in Gang zu setzen. Dabei handelt es sich bei Die Asche meiner Mutter keineswegs um einen schlechten Film. Besonders die darstellerischen Leistungen sind sehr beeindruckend und auch die Filmmusik von Urgestein John Williams ist durchaus passend, wenn auch ein wenig repetitiv. Aber der Film hat das typische Problem biografischer Spielfilme: Es gibt keine wirkliche Spannungskurve. Da sich die Handlung über mehrere Jahre erstreckt, ist die Struktur eher episodenhaft als auf einen bestimmten Höhepunkt hinarbeitend. Das ist für ein Buch leicht zu verkraften, da man dieses ja eher selten an einem Stück liest, aber bei Filmen kann dies schon etwas ermüdend werden. Dass man sich während Die Asche meiner Mutter dennoch nicht langweilt, liegt vor allem an den wie schon erwähnt hervorragenden Schauspielern. Besonders Joe Breen, Ciaran Owens und Michael Legge, die Frank in drei verschiedenen Altern darstellen, schaffen es gut, eine Identifikation mit der Hauptfigur zu ermöglichen.

Alan Parkers Leistung ist hingegen eher gemischt zu bewerten. Es ist ihm zwar gut gelungen, die eher triste Atmosphäre vor allem in der zweiten Hälfte durch kurz aufblitzenden Humor aufzubrechen, doch arbeitet er mit einer deutlich zu klischeehaften Bildsprache, um wirklich überzeugen zu können. Dass die Szenen in Limerick fast ausschließlich mit starkem Blaufilter und bei strömenden Regen aufgenommen wurden, führt nach einer Weile nämlich durchaus zu Stirnrunzeln: Denn auch in einer tristen Kindheit müsste es sonnige Tage gegeben haben.

Insgesamt zeichnet sich Die Asche meiner Mutter weder durch hochgradige Spannung noch durch eine besonders subtile Bildsprache aus. Doch die hervorragenden schauspielerischen Leistungen und die grundsätzlich interessante Geschichte können dies zum Glück ausgleichen, weshalb es sich insgesamt dennoch um einen durchaus sehenswerten Film handelt.



Urheber des Fotos von Alan Parker ist Lisa Moran Parker. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Attribution-ShareAlike 1.0 Generic (CC BY-SA 1.0).

Samstag, 26. Januar 2013

Filmkritik: Zeugin der Anklage (1957)

Seit Barbara Salesch und Co. vor einigen Jahren das Fernsehprogramm mit fiktiven Strafprozessen geradezu überfluteten, ist das einst erfolgreiche Subgenre des Gerichtsfilms so gut wie ausgestorben. Früher war das freilich noch anders: Vor allem in den 50er und 60er Jahren war das Justiz-Drama eine gute Gelegenheit, große Stars für anspruchsvolle Rollen auf die Leinwand zu bekommen. Eines der leichtfüßigeren Beispiele für diese Filmgattung ist Billy Wilders Zeugin der Anklage von 1957.

© METRO-GOLDWYN-MAYER STUDIOS INC.
ALL RIGHTS RESERVED
Der Strafverteidiger Sir Wilfrid Robarts (Charles Laughton) kommt nach einem Herzinfarkt und einem längeren Krankenhausaufenthalt zurück in seine Kanzlei. Begleitet wird er von der strengen Krankenschwester Miss Plimsoll (Elsa Lanchester), die ein striktes Regelwerk aufstellt: Genug Schlaf, kein Alkohol, keine Zigarren und nur einfache Zivilprozesse. Sir Wilfrid hat dafür natürlich nur wenig Verständnis und versucht alles, um an die verbotenen Genussmittel heranzukommen. Doch als noch am selben Tag der wegen Mordes angeklagte Leonard Vole (Tyrone Power) in seine Kanzlei kommt, verweist er ihn tatsächlich zuerst an seinen Kollegen Mr. Brogan-Moore (John Williams). Doch dann taucht Voles Ehefrau Christine (Marlene Dietrich) in der Kanzlei auf. Sie erzählt, dass sie lediglich eine Scheinehe mit Vole eingegangen sei, um nach dem Krieg aus Deutschland ausreisen zu können. Tatsächlich sei sie zur Zeit der Eheschließung bereits verheiratet gewesen, Vole wisse davon aber nichts. Christine ist die einzige, die ihrem Mann ein Alibi geben kann, doch es ist zweifelhaft, ob sie dies vor Gericht auch tatsächlich tun würde. Doch das ist nicht das einzige Problem, denn Vole hat sogar ein gewichtiges Motiv: Das Opfer, eine Dame mittleren Alters, vererbt ihm 80.000 Pfund. Der Fall scheint schwierig zu werden und Sir Wilfrid beschließt, ihn trotz seiner angeschlagenen Gesundheit doch lieber selbst zu übernehmen...

Zeugin der Anklage wird von mehreren Publikationen als einer der besten Gerichtsfilme aller Zeiten bezeichnet. Ob diese Einschätzung wirklich zutrifft, muss wohl jeder für sich selbst beantworten. Alle Erwartungen, die man an einen Vertreter dieses Subgenres haben kann, werden hier zumindest erfüllt: Der Zuschauer identifiziert sich mit einem ungewöhnlichen Anwalt und begleitet diesen bei seinen Versuchen, die Wahrheit herauszubekommen und gleichzeitig natürlich den Fall zu gewinnen. Das in den USA und Großbritannien bestehende System des Geschworenengerichts sorgt hierbei für besondere Spannung: Die Entscheidung hängt nicht alleine von rechtlichen Vorschriften ab, sondern vor allem davon, wem es besser gelingt, die Jury von seiner Version der Geschichte zu überzeugen: Dem Staatsanwalt oder dem Verteidiger. Unerwartet herbeigeschaffte Beweisstücke und Überraschungszeugen sorgen immer wieder für Wendungen und es bleibt bis zum Schluss unklar, wie das Urteil ausfallen könnte.

© METRO-GOLDWYN-MAYER STUDIOS INC.
ALL RIGHTS RESERVED
Was Zeugin der Anklage von anderen Vertretern dieser Filmgattung deutlich abhebt, ist der Humor: Die gepfefferten Dialoge zwischen Sir Wilfrid und seiner Krankenschwester sorgen vor allem in der ersten Hälfte des Filmes für viele Lacher und erzeugen damit eine lockere Grundstimmung, die auch für die restliche Laufzeit Bestand hat. Somit hat Billy Wilders Film mit späteren Agatha-Christie-Adaptionen wie Tod auf dem Nil oder Mord im Orient Express letztendlich deutlich mehr gemeinsam als mit anderen Gerichtsdramen des klassischen Hollywood-Kinos. Dies hat sowohl Vor- als auch Nachteile. Auf der einen Seite liefert Zeugin der Anklage gute Unterhaltung mit ausgewogenen Anteilen an Humor und Spannung und ist damit genau das Richtige für einen vergnüglichen Filmabend. Die mitreißende Dramatik von Filmen wie Die zwölf Geschworenen oder Das Urteil von Nürnberg wird jedoch eher nicht erreicht.

Ob Zeugin der Anklage daher wirklich als ein herausragender Gerichtsfilm bezeichnet werden kann, darf aufgrund der zudem (inzwischen) eher klischeehaften Wendungen und einer eher wenig ausgeprägten Dramatik durchaus angezweifelt werden. Als eine vergnügliche Agatha-Christie-Verfilmung funktioniert der Film dank eines gelungenen Drehbuchs und hervorragender Darsteller jedoch wunderbar.

Montag, 21. Januar 2013

Filmkritik: Alice im Wunderland (2010)

Eine Geschichte, die fast jeder kennt. Ein 3D-Film kurz nach dem Hype um Avatar. Tim Burton als Regisseur und Johnny Depp als zweiter Hauptdarsteller. Es ist wohl kaum verwunderlich, dass Alice im Wunderland bei seiner Veröffentlichung im Jahr 2010 weltweit über eine Milliarde Dollar einspielte. Doch was hat dieser Film eigentlich noch mit seiner Vorlage zu tun? Dieser Frage gehe ich in meiner heutigen Filmkritik nach.

Mia Wasikowska
Die inzwischen 19-Jährige Alice Kingsleigh (Mia Wasikowska), die immer noch eine blühende Phantasie hat, kann sich mit den strengen Regeln des Viktorianischen Zeitalters einfach nicht anfreunden. Als ihr zudem bei einem Fest der unattraktive Lord Ascot (Tim Piggott-Smith) vor versammelter Gemeinschaft einen Heiratsantrag macht, weiß sie nicht, was sie antworten soll und flüchtet. Da erblickt sie plötzlich ein in eine Weste gekleidetes weißes Kaninchen und verfolgt das skurrile Wesen neugierig zu seinem Bau. Als sie hineinschauen will, stürzt sie hunderte Meter in die Tiefe. Unten angekommen findet Alice sich im Wunderland wieder, von dem sie einmal als Kind geträumt hat, an das sie sich nun aber nicht mehr erinnern kann. Der verrückte Hutmacher (Johnny Depp), die Haselmaus und andere Bewohner des Wunderlands machen Alice klar, dass sie dringend ihre Hilfe brauchen: Denn laut einer Prophezeiung soll sie diejenige sein, die das schreckliche Ungeheuer Jabberwocky tötet und damit die Terrorherrschaft der grausamen roten Königin (Helena Bonham Carter) beendet. Doch schnell kommen Zweifel auf, ob es sich bei der Besucherin wirklich um die richtige Alice handelt...

Der Jabberwock
Die letzte größere Kino-Verfilmung von Lewis Carrolls berühmten Kinderbuch erschien 1972. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sich ein Regisseur dem Stoff mal wieder annehmen würde. Doch Tim Burton hatte kein Interesse daran, die Geschichte einfach nochmal zu erzählen, sondern entschied sich dafür, eher eine Art Fortsetzung zu drehen. Hierfür nutze er nicht nur Figuren aus dem ursprünglich 1865 erschienenen Alice im Wunderland sondern auch aus der Fortsetzung Alice hinter den Spiegeln (1871), obwohl es sich hier eigentlich um zwei unterschiedliche Welten handelt. Aus letzterem Buch entstammt auch die Idee für die Geschichte: In ihm kommt das Nonsens-Gedicht Jabberwocky vor, in dem es darum geht, wie ein Held dem schrecklichen Jabberwock den Kopf abschlägt. In der Original-Illustration von John Tenniel sieht es dabei tatsächlich so aus, als wäre es Alice, die sich dem schrecklichen Ungeheuer stellt und eine Abwandlung dieses Bildes wird im Film dann auch als Prophezeiung verwendet.

Die Zusammenführung der beiden Bücher führt aber leider zu einigen Ungereimtheiten. Am deutlichsten ist dies an der Figur der roten Königin zu sehen. Diese basiert auf zwei Figuren der Vorlagen: In Alice im Wunderland gibt es die grausame Herzkönigin, die zusammen mit dem Herzkönig über eine Armee von Spielkarten herrscht und bei jeder Gelegenheit die Enthauptung irgendeines Anwesenden fordert. In Alice hinter den Spiegeln, in dem nicht das Kartenspiel, sondern das Schachspiel als Grundmotiv dient, gibt es die Figur der roten Königin, die die Widersacherin der weißen Königin ist. Beide verfügen über eine Armee von Schachfiguren. In Tim Burtons Version finden wir nun eine Mischung, die nur wenig Sinn ergibt: Die böse Königin lebt in einem Schloss, das überall mit Herzmustern geschmückt ist, hat sogar einen herzförmigen Kopf und befielt eine Armee Herz-Spielkarten. Dennoch wird sie die rote Königin genannt. Ihre Widersacherin ist ihre Schwester, die weiße Königin (Anne Hathaway), die über eine Armee von weißen Schachfiguren herrscht. Spätestens wenn am Ende des Films Schachfiguren gegen Spielkarten in den Krieg ziehen, wird deutlich, dass das irgendwie keinen Sinn ergibt.

Auch wenn Tim Burtons Film auf Kinderbüchern basiert, ist die kindliche Märchenhaftigkeit der Vorlage hier nirgends zu finden. Stattdessen handelt es sich im Endeffekt um einen typischen Fantasy-Film, in dem die Heldin einige Hindernisse überwinden und genug Selbstvertrauen sammeln muss, um letztendlich in einem spektakulären Finale siegreich zu sein. Auch wenn die meisten Figuren aus Carrolls Büchern auch im Film einen Auftritt haben, gibt es nur an wenigen Stellen die typischen von Wortspielen geprägten Gespräche und skurrilen Situationen, die die Bücher so einzigartig machen. Stattdessen ist Burtons Film vor allem auf spektakuläre Effekte und Action-Szenen ausgelegt, ohne sich viel darum zu bemühen, dass einem die gezeigten Figuren auch ans Herz wachsen können. Dass 90 % der Bilder computeranimiert sind und man es ihnen leider auch deutlich ansieht, macht es kaum leichter, mit der Geschichte warmzuwerden. Und wenn die eigentlich sehr guten Schauspieler hinter den ganzen digitalen Veränderungen ihrer Gesichter kaum noch zu erkennen sind, hätte man vielleicht auch lieber gleich einen Animationsfilm drehen sollen.

So sind insgesamt die einzigen Momente, die mir in Alice im Wunderland gefallen haben, diejenigen, die ziemlich direkt aus der Vorlage entnommen wurden: Wenn die Königin mit einem Flamingo als Schläger und einem Igel als Ball Cricket spielt und bei jeder Gelegenheit „Ab mit seinem Kopf!“ schreit, dann ist das immer noch witzig. Aber dann kann man eigentlich auch lieber nochmal das Buch lesen, anstatt sich Burtons effekthascherische Verfilmerung anzusehen.


Urheber des Fotos von Mia Wasikowska ist Tomdog und es wurde bearbeitet von RanZag. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0) .

Mittwoch, 16. Januar 2013

Filmkritik: Die Vampirschwestern (2012)

Seit dem Erfolg des Twilight-Franchises sind Vampire im Kino nicht mehr nur in Horror-Filmen anzutreffen, sondern tummeln sich in den unterschiedlichsten Genres. Da war es nur eine Frage der Zeit, bis sich auch der deutsche Kinderfilm den Blutsaugern annehmen würde. Und das mit Erfolg: Die Vampirschwestern haben inzwischen schon über 500.000 Zuschauer in die deutschen Kinos gelockt.

Laura Roge und Marta Martin sind Die Vampirschwestern
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH / Heike Ulrich
Die beiden Halbvampire Daka (Laura Roge) und Silvania (Marta Martin) ziehen aus dem fernen Rumänien in eine deutsche Kleinstadt. Während die menschliche Mutter Elvira (Christiane Paul) alles dafür tut, dass ihre Familie so deutsch wie nur irgendwie möglich wird, ist es für Vampir-Vater Mihai (Stipe Erceg) viel wichtiger, dass seine beiden Mädchen das Fliegen lernen. Das dunkle Geheimnis der Familie bleibt jedoch nicht lange unbemerkt: Der spießige Dirk van Kombast (Michael Kessler) entdeckt die wahre Identität seiner neuen Nachbarn und tut von nun an alles, um sein Viertel wieder vampirfrei zu machen.

In der Schule lernt Silvania währenddessen den netten Jacob (Jeremias Meyer) kennen. Sie wäre gerne ein ganz normaler Mensch, um auch bei strahlendem Sonnenschein mit ihm ins Schwimmbad gehen zu können. Daka hingegen will mit Menschen eigentlich gar nichts zu tun haben und wäre lieber ein echter Vollblut-Vampir wie ihr Vater. Als die Schwestern in der Fußgängerzone den Laden eines verschrobenen Magiers (Richy Müller) finden, scheint die Erfüllung dieser Wünsche tatsächlich in greifbare Nähe zu rücken...

Michael Kessler als Vampirjäger van Kombast
© 2012 Sony Pictures Releasing GmbH / Heike Ulrich
Wolfgang Groos’ Verfilmung von Franziska Gehms erfolgreicher Kinderbuchserie ist klar für ein Publikum im späten Grundschulalter konzipiert. Daher sind überraschende Wendungen in dieser Geschichte natürlich genau so wenig zu erleben wie ein tatsächlicher Vampirbiss. Dennoch kann man auch als Erwachsener bei diesem Film durchaus seinen Spaß haben. Dies liegt vor allem an den tollen Schauspielern: Die Hauptdarstellerinnen Laura Roge und Marta Martin wachsen einem sofort ans Herz und auch die anderen Kinder liefern eine überzeugende Performance ab. Dem aus der Comedy-Sendung Switch Reloaded bekannten Michael Kessler ist die Rolle des tollpatschigen Nachbarn wie auf den Leib geschnitten und auch Richy Müller ist seine Spielfreude bei der Verkörperung des seltsamen Magiers Ali Bin Schick deutlich anzusehen. Lediglich die Eltern der Schwestern bleiben leider ein wenig ‚blass‘.

Der vampirkundige Zuschauer wird zudem mit mannigfachen Anspielungen an das Genre verwöhnt: Die Familie stattet nach ihrer Ankunft das Haus sofort mit Särgen und Heimaterde aus, während sich Dirk van Kombast mit Knoblauch und Weihwasser bewaffnet. Dabei weckt das "van" seines Nachnamens natürlich Erinnerungen an den Vampirjäger Van Helsing aus Bram Stokers Dracula-Roman und konsequenterweise werden die im Onlineshop bestellten Anti-Vampir-Waffen auch von „Smith & Helsing“ hergestellt.
Regie, Kamera, Schnitt und Spezialeffekte bewegen sich allesamt auf einem hohen Niveau und auch der Humor findet eine gute Balance zwischen Situationskomik und Slapstick. Eine handvoll Flatulenz- und Durchfallwitze haben leider dennoch ihren Weg in das Drehbuch gefunden, diese bleiben aber zum Glück die Ausnahme.

Kinder werden bei diesem Film sowieso ihren Spaß haben. Und wie es sich für einen guten Kinderfilm gehört, gibt es natürlich auch eine Message über Selbstvertrauen und Toleranz, die leider durch das Titellied „Ich bin ich“ von Glasperlenspiel ein bisschen zu dick aufgetragen wird, aber auch das ist wohl der Zielgruppe geschuldet. Apropos Zielgruppe: Auch wenn der Film von der FSK ohne Altersbeschränkung freigegeben wurde, ist Die Vampirschwestern meiner Meinung nach für Kinder unter 8 Jahren eher nicht geeignet, da es zwei Stellen gibt, an denen es dann doch ein bisschen gruselig wird. Denn immerhin handelt es sich hier ja immer noch um einen Vampirfilm...

Die Vampirschwestern liefert ungefähr das, was man von einem gut gemachten Kinderfilm erwartet: Eine seichte aber durchaus unterhaltsame Story, toll gespielt und technisch einwandfrei umgesetzt. Zusammen mit der wichtigen Message also eine uneingeschränkte Empfehlung für Schulkinder zwischen 8 und 12 Jahren. Und das Versprechen, dass sich auch die Eltern keinesfalls langweilen werden.

Samstag, 12. Januar 2013

Filmkritik: Harry Potter und der Orden des Phönix (2007)

Im letzten Jahr konnte Daniel Radcliffe mit seiner Hauptrolle in Die Frau in Schwarz beweisen, dass er auch im Genre des Horror-Films eine gute Figur macht. Doch den meisten ist der 23-Jährige Schauspieler natürlich immer noch vor allem durch seine Verkörperung des Zauberers Harry Potter bekannt. Heute werfe ich einen Blick auf den fünften Teil der Filmreihe: Harry Potter und der Orden des Phönix.

Daniel Radcliffe
Da das Zaubereiministerium die Rückkehr Lord Voldemorts (Ralph Fiennes) vehement abstreitet, hat sich eine alte Untergrundorganisation wieder zusammengefunden: Der Orden des Phönix. Harry (Daniel Radcliffe), Hermine (Emma Watson) und Ron (Rupert Grint) dürfen als Teenager natürlich nicht an den Treffen des Geheimbundes teilnehmen. Doch als das Ministerium die neue Lehrerin Dolores Umbridge (Imelda Staunton) in Hogwarts einsetzt, die sich strikt weigert, den Schülern praktischen Unterricht in der Verteidigung gegen die dunklen Künste zu geben, wird Harry Kopf seiner eigenen geheimen Gruppe: Dumbledores Armee. Doch Umbridge, die durch Erlässe des Ministeriums immer mehr Macht in Hogwarts erhält, ist nicht die einzige Gefahr, denn zwischen Harry und Voldemort scheint eine verhängnisvolle Verbindung zu bestehen...


Die Adaptionen von J. K. Rowlings Harry-Potter-Heptalogie gelten als die erfolgreichste Filmreihe alter Zeiten: 7,7 Milliarden Dollar spielten die acht Werke weltweit an den Kinokassen ein. Doch Fans der Bücher äußern sich häufig enttäuscht: Viele Auslassungen und Veränderungen gegenüber der Vorlage sind zu beobachten. Dies ist natürlich auch nicht zu verhindern, wenn man versucht, hunderte von Seiten in eine Spielfilmhandlung von etwa zwei Stunden zu quetschen. Harry Potter und der Orden des Phönix ist mit über 1.000 Seiten der längste Band der Reihe und damit von diesem Problem besonders betroffen. Umso bemerkenswerter ist es, dass Drehbuchautor Michael Goldenberg es schafft, eine erstaunlich runde Geschichte zu erzählen, die nicht den Eindruck macht, von einer Szene zur nächsten zu hetzen. Dennoch gibt es natürlich einige Abwandlungen, die kritisch zu betrachten sind. Die abgedrehte Luna Lovegood (Evanna Lynch) in einer Szene in die Mentorenrolle zu stecken, passt nicht wirklich zu der Figur des Buches und auch die Zentauren behalten leider nichts von der würdevollen Arroganz, die sie in der Vorlage auszeichnet. Zudem werden einige Situationen nicht hinreichend erklärt (warum fliegen die Schüler nicht mit dem Besen nach London?) und eine Wendung im Finale ist auch ein wenig aufgesetzt. Insgesamt ist das Drehbuch aber dennoch als ziemlich gelungen zu bezeichnen.

Regisseur David Yates
Für den fünften Teil der Reihe stand erstmals der britische Regisseur David Yates hinter der Kamera, der sich auch für die folgenden Teile verantwortlich zeigte. Die Regie gehört auch zu den positiv hervorzuhebenden Aspekte des Filmes, da sie dankenswerterweise auf die Albernheiten und Übertreibungen verzichtet, die den von Mike Newell gedrehten vierten Teil beinahe unerträglich machten. Der Orden des Phönix ist erfreulich düster und atmosphärisch und der gelegentliche Humor, der in einer Montage von Umbridges Maßnahmen in Hogwarts seinen Höhepunkt findet, fügt sich nahtlos in die restliche Erzählung ein. Auch die beiden Szenen, in denen montierte Zeitungsartikel Hintergrundinformationen liefern, sind sehr kreativ umgesetzt. Dennoch gibt es Momente, in denen die Logik geopfert wird, um eine spektakuläre Szene zu erhalten, so z.B. wenn zu Beginn eine geheime Rettungsmission auf fliegenden Besen, die keinesfalls entdeckt werden darf, wenige Meter über dem Boden fliegt. Auch die Entschärfung des Endkampfes (im Gegensatz zum Buch gibt es keine ernsthaften Verletzungen) ist ein wenig ärgerlich, aber für eine angemessene Altersfreigabe wohl unumgänglich gewesen.

Technisch ist der Film natürlich wieder einmal exzellent umgesetzt. Das Set-Design ist wie immer sehr stimmig, die Special Effects sind besser denn je (besonders das Finale ist optisch sehr beeindruckend), die Kamera-Arbeit von Slawomir Idziak, der fünf Jahre zuvor für Black Hawk Down eine Oscar-Nominierung erhielt, ist hübsch anzusehen und auch der Schnitt von Mark Day, der vorher vor allem fürs Fernsehen arbeitete, kann besonders in den Traum-Sequenzen überzeugen.

Helena Bonham Carter
Über die schauspielerische Leistung der wiederkehrenden Rollen muss wohl nicht viel gesagt werden. Besonders Gary Oldman als Sirius Black und Alan Rickman als Snape konnten mich wieder sehr überzeugen. Lediglich Michael Gambon ist für mich immer noch keine Idealbesetzung für Dumbledore.
Bei den neuen Figuren überzeugt vor allem Imelda Staunton als Umbridge. Auch wenn man sich beim Lesen eine deutlich fülligere Person vorstellt, schafft sie es, durch eine perfekte Mischung aus Spießigkeit und Boshaftigkeit, alle Szenen an sich zu reißen, in denen sie auftaucht. Und auch Helena Bonham Carter als Bellatrix Lestrange, Sirius Blacks böse Cousine, kann wohl nur als Idealbesetzung bezeichnet werden. Sie ist so wahnsinnig, dass man Bonham Carter beinahe Overacting vorwerfen könnte, doch für einen vor allem an ein junges Publikum gericheten Film passt ihr Spiel einfach ideal.


Insgesamt ist Harry Potter und der Orden des Phönix einer der unterhaltsamsten Teile der Reihe. Einige Ungereimtheiten und Änderungen sind zwar vor allem für Kenner der Vorlage ärgerlich, doch die ausgezeichneten Darsteller und die hohe technische Qualität schaffen es zum Glück, dies einigermaßen wieder auszugleichen.



Urheber des Fotos von Daniel Radcliffe ist DavidDjJohnson at en.wikipedia. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0).
Urheber des Fotos von David Yates ist Joella Marano. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0)

Urheber des Fotos von Helena Bonham Carter ist Siebbi. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0).

Montag, 7. Januar 2013

Media Monday #80

Immer wieder Montags... Auch heute hat das Medienjournal-Blog wieder einen Fragebogen zu Film und anderen Medien veröffentlicht und ich habe es mir nicht nehmen lassen, ihn auszufüllen.

Meine Antworten sind fett und lila formatiert:
 
 1. Joe Pesci gefiel mir am besten in Goodfellas - Drei Jahrzehnte in der Mafia. Alleine der Dialog im Restaurant ist grandios, wie er den ganzen Tisch unterhält, man ihm aber zur jeder Zeit einen Wutausbruch zutraut. Aber auch als skurriler und paranoider David Ferrie in JFK - Tatort Dallas macht er eine gute Figur. Schade nur, dass seine Rollen sich alle ziemlich ähneln.

2. Robert Zemeckis hat mit Zurück in die Zukunft seine beste Regiearbeit abgelegt, weil alleine die Einleitung des Filmes grandios inszeniert ist. Wie die vielen Gegenstände in Doc Browns Haus schon in der ersten Einstellung den verrückten Wissenschaftler perfekt charakterisieren und gleichzeitig bereits die folgende Handlung andeuten, wie wir Marty McFly kennenlernen, die Präsentation der Zeitmaschine, usw., das ist wirklich großes Kino.

3. Julia Stiles gefiel mir am besten in der Bourne-Trilogie, weil ich sie in noch keinem anderen Film gesehen habe. Aber auch da hat sie ehrlich gesagt keinen bleibenden Eindruck hinterlassen.

4. Eure Meinung zur Zensur- und Indizierungspolitik in Deutschland: Gerechtfertigt, egal oder absolute [zensiert]?
Ich finde, dass Jugendschutz schon eine wichtige Sache ist und kann es gut nachvollziehen, dass jugendgefährdende Filme nicht beworben werden dürfen und nur unter der Ladentheke zu haben sind. Dass Filme allerdings auch beschlagnahmt werden können und dann selbst für Erwachsene nicht zu erhalten sind, halte ich für eine alberne Bevormundung durch den Staat. Gewaltverherrlichung oder -verharmlosung kann man natürlich zurecht kritisieren, aber damit eine gesellschaftliche und wissenschaftliche Auseinandersetzung damit möglich ist, müssen die Medien eben auch zugänglich sein.

5. Dass viele die Originalfassungen von Filmen und Serien bevorzugen steht außerfrage und ist insbesondere im Englischen ja durchaus gut verständlich, wie aber handhabt ihr es – sofern ihr ebenfalls dieser Gattung angehört – mit Produktionen aus Ländern, deren Sprache euch überhaupt nicht geläufig ist?
Ich schaue Filme nach Möglichkeit (d.h. in der Regel leider nur wenn ich sie alleine gucke) immer in der Originalfassung, unabhängig davon, welche Sprache gesprochen wird. Bei anderen Sprachen als Englisch oder Deutsch gucke ich den Film dann mit deutschen oder, falls diese nicht vorhanden sind, englischen Untertiteln. Auch wenn das Mitlesen manchmal etwas störend ist, haben die Filme dadurch für mich eine in der Synchronisation nicht erreichbare Authentizität. Denn ein Film aus einem anderen Land stellt ja auch eine andere Kultur dar und zu dieser Kultur gehört eben auch die Sprache. 

6. In letzter Zeit versuchen immer mehr Serien – wie Filme es schon länger tun – mit Sex und Gewalt, sprich Blut und Brüsten, Zuschauer anzulocken (zumindest wird ihnen das gerne unterstellt). Wie ist eure Meinung (gerne anhand eines oder mehrerer Beispiele)?

7. Mein zuletzt gesehener Film ist Der Hobbit - Eine unerwartete Reise und der war durchaus unterhaltsam aber auch ein wenig enttäuschend, weil er Probleme hat, eine Balance zwischen märchenhafter Kinderbuchatmosphäre und spektakulären Action-Szenen zu finden. Mehr dazu in meiner Kritik.

Den leeren Fragebogen und die Antworten vieler anderer Blogger findet ihr im Medien-Journal-Blog.

Sonntag, 6. Januar 2013

Filmkritik: Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (2012)

Peter Jacksons erneute Reise nach Mittelerde ist nun schon seit gut drei Wochen in den deutschen Kinos und verweilt hartnäckig auf dem ersten Platz der Charts. Doch ist dem neuseeländischen Regisseur tatsächlich ein weiteres Meisterwerk gelungen? Oder ist Tolkiens Vorlage für eine Verteilung auf drei Filme im wahrsten Sinne des Wortes zu dünn?

Peter Jackson
Literaturverfilmungen machen es einem nicht leicht. Denn so sehr man sich auch vornimmt, dem Film so unvoreingenommen wie möglich zu begegnen, erwischt man sich dann doch häufig dabei, die Interpretation des Regisseurs mit den eigenen beim Lesen entwickelten Bildern abzugleichen und sich über die meist unvermeidbaren Auslassungen und Veränderungen zu ärgern.
Als Peter Jackson von 2001 an seine Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Fantasy-Epos Der Herr der Ringe (im Folgenden HDR genannt) in die Kinos brachte, hatte ich gegenüber Tolkien-Fans einen großen Vorteil: Ich kannte die Bücher noch nicht und war daher völlig überwältigt von Peter Jacksons epischer Erzählung aus Mittelerde. Beim späteren Lesen der Bücher präsentierte sich mir eine noch komplexere Welt und es gab viele Episoden, die in den Filmen gefehlt hatten (wie die Befreiung des Auenlandes), doch trotzdem kann ich bis heute gut mit den Unterschieden zwischen den beiden Werken leben.

Nun hat sich Peter Jackson entschieden, auch eine Verfilmung zu der vor HDR erschienenen, deutlich kürzeren und an ein eher junges Publikum gerichteten Geschichte Der kleine Hobbit zu inszenieren. Verblüffend ist hierbei, dass Jackson und die produzierenden Studios sich dennoch für die Aufteilung des Buches in drei Kinofilme entschieden haben. Da die Geschichte des eher dünnen Bandes selbst nicht genug Stoff dafür hergeben würde, spielen in den Filmen auch Ereignisse eine Rolle, die zur selben Zeit in Mittelerde geschehen, aber lediglich in den Anhängen zu HDR erwähnt werden: Vor allem der Konflikt um die Festung Dol Guldur.
Da ich Der kleine Hobbit bereits gelesen habe, bin ich nun mit ganz anderen Vorraussetzungen ins Kino gegangen als bei der Originaltrilogie. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum mich Peter Jackson dieses Mal leider nicht völlig überzeugen könnte.

Ian McKellen
Der erste Teil der Verfilmung, Der Hobbit – Eine unerwartete Reise, beschreibt, wie Bilbo Beutlin (Martin Freeman) eines Abends von dem Zauberer Gandalf (Ian McKellen) und 13 Zwergen überrascht wird, die ihn bei einer gefährlichen Mission dabei haben wollen. Es geht um die Befreiung des Berges Erebor, der einst von Zwergen bewohnt wurde und einen großen Goldschatz beherbergte. Dieser lockte jedoch den Drachen Smaug an, der die Stadt zerstörte und den Berg einnahm. Unter der Führung von Zwergenkönig Thorin Eichenschild (Richard Armitage) soll Smaug nun wieder aus Erebor vertrieben und der Schatz gerecht unter den Teilnehmern der Mission aufgeteilt werden. Bilbo, der von Gandalf als Meisterdieb vorgestellt wird, soll dabei helfen. Dieser ist jedoch zuerst gar nicht begeistert und es bedarf einiger Überzeugungsarbeit, um ihn aus seinem gemütlichen Zuhause zu locken. Doch der Weg nach Erebor ist lang und es lauern viele Gefahren…

Filme, die versuchen an den Erfolg eines als Meisterwerk eingeschätzten Vorgängers anzuschließen, haben es sehr schwer, den großen Erwartungen der Fans gerecht zu werden. Und auch dem Hobbit gelingt dies tatsächlich nur eingeschränkt. Dies liegt vor allem daran, dass Peter Jackson versucht, sowohl der kindgerechten Märchenhaftigkeit der Vorlage gerecht zu werden als auch actiongeladene Schlachten wie in seinen HDR-Filmen zu präsentieren, was zu einer gewissen Unausgewogenheit führt. Die sehr schön die Stimmung des Buches einfangende Einleitung in Hobbingen, die begriffsstutzigen Trolle und der skurrile Orkkönig wollen nicht so recht zu den brutalen Actionszenen und ernsten Dialogen passen, die die Geschichte immer wieder unterbrechen. Besonders ärgerlich ist es, wenn eine märchenhafte Szene im Buch, in der Bilbo sieht, wie sich in der Ferne Riesen mit Felsen bewerfen, zu einer übertriebenen Actionszene umgeschrieben wird, anscheinend nur deshalb, weil die letzte schon länger hergewesen ist. Aber auch die humorvollen Szenen sind nicht immer gelungen. Besonders der etwas schusselige Zauberer Radagast, der in der Vorlage nur am Rande erwähnt wird, sorgt für einige übertrieben alberne Szenen, die auch einfach unangemessen für die Darstellung eines der Istari, der großen Zauberer von Mittelerde, sind.
Als weiteren Kritkpunkt muss man auch noch anführen, dass auch unter Einbeziehung der Anhänge die Geschichte keinesfalls den gleichen epischen Charakter annimmt wie Der Herr der Ringe. Dass die Filme dennoch eine recht epische Länge von jeweils etwa 2,5 Stunden besitzen, führt daher zwar nicht unbedingt zu Langeweile, aber ein wenig gedehnt wirkt die ganze Erzählung schon.

Martin Freeman
Doch es gibt keineswegs nur Negatives über den Hobbit zu sagen, denn trotz all dieser Kritikpunkte macht es einfach Spaß, endlich wieder im Kino in die Welt von Mittelerde einzutauchen. Dies liegt natürlich zu großen Teilen an der visuellen Brillanz des Filmes. Die wunderschönen Landschaften Neuseelands, die liebevoll gestalteten Sets und die makellosen Spezialeffekte sorgen dafür, dass wirklich jede Einstellung eine reine Augenweide ist.
Auch die Besetzung ist wieder einmal tadellos: Neben alten Bekannten wie Ian McKellen als Gandalf (mit neuer, aber passender Synchronstimme) und Hugo Weaving als Elrond, die problemlos in ihre alten Rollen zurückfinden, ist vor allem Martin Freeman hervorzuheben, der wirklich die perfekte Besetzung für Bilbo Beutlin ist. Aber auch die Darsteller der Zwerge sind ausnahmslos überzeugend und schaffen es mit ihrem Spiel (und der Unterstützung der Make-Up-Artists, die hier eine oscarreife Leistung abliefern), dass man die Zwerge tatsächlich als Individuen wahrnimmt, während sie in der Vorlage eher schwierig zu differenzieren waren.

Auch die lange Laufzeit hat keineswegs nur Nachteile: Denn es gibt, was bei Literaturverfilmungen ja durchaus etwas besonders ist, kaum Auslassungen zum Buch. Zu einigen Veränderungen ist es aber schon gekommen, die aber zu großen Teilen nachvollziehbar sind: Dass z.B. der Ork Azog und sein Sohn Bolg im Film zu einer einzelnen Figur verschmelzen, ist durchaus sinnvoll um einen größeren Antagonisten aufzubauen, ohne den der erste Film wohl wie eine Aneinanderreihung von unzusammenhängenden Episoden hätte wirken können.

Zu einer vieldiskutierten technischen Besonderheit des Filmes kann ich leider nichts sagen. In unserem Kino wurde Der Hobbit statt mit der erhöhten Bildrate von 48 Bildern/Sekunde nur mit den herkömmlichen 24 Bildern/Sekunde gezeigt, was vor allem in Actionszenen zu störender Bewegungsunschärfe führte. Wer die Möglichkeit hat, sollte der technischen Neuerung also eine Chance geben.

Insgesamt ist Peter Jackson mit dem Hobbit leider kein erneutes Meisterwerk gelungen. Dennoch ist der Film ein sehr unterhaltsames Fantasy-Abenteuer, dass Fans von Tolkiens Werk oder der Herr-der-Ringe-Filmtrilogie keinesfalls verpassen sollten. Man darf gespannt sein, ob die beiden weiteren Teile, die im Dezember 2013 und im Juli 2014 erscheinen sollen, diese Qualität halten oder gar überbieten können.

   


Urheber des Fotos von Peter Jackson ist Natasha Baucas. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).
Urheber des Fotos von Ian McKellen ist Stefan Servos Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Urheber des Fotos von Martin Freeman ist Fat Les. Es steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).