Peter Jacksons erneute Reise nach Mittelerde ist nun
schon seit gut drei Wochen in den deutschen Kinos und verweilt hartnäckig auf
dem ersten Platz der Charts. Doch ist dem neuseeländischen Regisseur
tatsächlich ein weiteres Meisterwerk gelungen? Oder ist Tolkiens Vorlage für
eine Verteilung auf drei Filme im wahrsten Sinne des Wortes zu dünn?
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Peter Jackson |
Literaturverfilmungen machen es einem nicht leicht. Denn so
sehr man sich auch vornimmt, dem Film so unvoreingenommen wie möglich zu
begegnen, erwischt man sich dann doch häufig dabei, die Interpretation des
Regisseurs mit den eigenen beim Lesen entwickelten Bildern abzugleichen und
sich über die meist unvermeidbaren Auslassungen und Veränderungen zu ärgern.
Als Peter Jackson von 2001 an seine Verfilmung von J.R.R. Tolkiens
Fantasy-Epos
Der Herr der Ringe (im Folgenden
HDR genannt) in die
Kinos brachte, hatte ich gegenüber Tolkien-Fans einen großen Vorteil: Ich
kannte die Bücher noch nicht und war daher völlig überwältigt von Peter
Jacksons epischer Erzählung aus Mittelerde. Beim späteren Lesen der Bücher
präsentierte sich mir eine noch komplexere Welt und es gab viele Episoden, die
in den Filmen gefehlt hatten (wie die Befreiung des Auenlandes), doch trotzdem
kann ich bis heute gut mit den Unterschieden zwischen den beiden Werken leben.
Nun hat sich Peter Jackson entschieden, auch eine Verfilmung
zu der vor
HDR erschienenen, deutlich kürzeren und an ein eher junges
Publikum gerichteten Geschichte
Der kleine Hobbit zu inszenieren. Verblüffend
ist hierbei, dass Jackson und die produzierenden Studios sich dennoch für die
Aufteilung des Buches in drei Kinofilme entschieden haben. Da die Geschichte
des eher dünnen Bandes selbst nicht genug Stoff dafür hergeben würde, spielen
in den Filmen auch Ereignisse eine Rolle, die zur selben Zeit in Mittelerde
geschehen, aber lediglich in den Anhängen zu
HDR erwähnt werden: Vor
allem der Konflikt um die Festung Dol Guldur.
Da ich
Der kleine Hobbit bereits gelesen habe, bin
ich nun mit ganz anderen Vorraussetzungen ins Kino gegangen als bei der
Originaltrilogie. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum mich Peter Jackson
dieses Mal leider nicht völlig überzeugen könnte.
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Ian McKellen |
Der erste Teil der Verfilmung,
Der Hobbit – Eine unerwartete Reise, beschreibt, wie Bilbo Beutlin (Martin Freeman) eines Abends von dem
Zauberer Gandalf (Ian McKellen) und 13 Zwergen überrascht wird, die ihn bei einer gefährlichen
Mission dabei haben wollen. Es geht um die Befreiung des Berges Erebor, der
einst von Zwergen bewohnt wurde und einen großen Goldschatz beherbergte. Dieser
lockte jedoch den Drachen Smaug an, der die Stadt zerstörte und den Berg
einnahm. Unter der Führung von Zwergenkönig Thorin Eichenschild (Richard Armitage) soll Smaug nun
wieder aus Erebor vertrieben und der Schatz gerecht unter den Teilnehmern der
Mission aufgeteilt werden. Bilbo, der von Gandalf als Meisterdieb vorgestellt
wird, soll dabei helfen. Dieser ist jedoch zuerst gar nicht begeistert und es
bedarf einiger Überzeugungsarbeit, um ihn aus seinem gemütlichen Zuhause zu
locken. Doch der Weg nach Erebor ist lang und es lauern viele Gefahren…
Filme, die versuchen an den Erfolg eines als Meisterwerk
eingeschätzten Vorgängers anzuschließen, haben es sehr schwer, den großen
Erwartungen der Fans gerecht zu werden. Und auch dem
Hobbit gelingt dies
tatsächlich nur eingeschränkt. Dies liegt vor allem daran, dass Peter Jackson
versucht, sowohl der kindgerechten Märchenhaftigkeit der Vorlage gerecht zu
werden als auch actiongeladene Schlachten wie in seinen
HDR-Filmen zu
präsentieren, was zu einer gewissen Unausgewogenheit führt. Die sehr schön die
Stimmung des Buches einfangende Einleitung in Hobbingen, die begriffsstutzigen
Trolle und der skurrile Orkkönig wollen nicht so recht zu den brutalen
Actionszenen und ernsten Dialogen passen, die die Geschichte immer wieder
unterbrechen. Besonders ärgerlich ist es, wenn eine märchenhafte Szene im Buch,
in der Bilbo sieht, wie sich in der Ferne Riesen mit Felsen bewerfen, zu einer
übertriebenen Actionszene umgeschrieben wird, anscheinend nur deshalb, weil die
letzte schon länger hergewesen ist. Aber auch die humorvollen Szenen sind nicht
immer gelungen. Besonders der etwas schusselige Zauberer Radagast, der in der
Vorlage nur am Rande erwähnt wird, sorgt für einige übertrieben alberne Szenen,
die auch einfach unangemessen für die Darstellung eines der Istari, der großen
Zauberer von Mittelerde, sind.
Als weiteren Kritkpunkt muss man auch noch anführen, dass
auch unter Einbeziehung der Anhänge die Geschichte keinesfalls den gleichen
epischen Charakter annimmt wie
Der Herr der Ringe. Dass die Filme
dennoch eine recht epische Länge von jeweils etwa 2,5 Stunden besitzen, führt
daher zwar nicht unbedingt zu Langeweile, aber ein wenig gedehnt wirkt die
ganze Erzählung schon.
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Martin Freeman |
Doch es gibt keineswegs nur Negatives über den
Hobbit
zu sagen, denn trotz all dieser Kritikpunkte macht es einfach Spaß, endlich
wieder im Kino in die Welt von Mittelerde einzutauchen. Dies liegt natürlich zu
großen Teilen an der visuellen Brillanz des Filmes. Die wunderschönen
Landschaften Neuseelands, die liebevoll gestalteten Sets und die makellosen
Spezialeffekte sorgen dafür, dass wirklich jede Einstellung eine reine
Augenweide ist.
Auch die Besetzung ist wieder einmal tadellos: Neben alten
Bekannten wie Ian McKellen als Gandalf (mit neuer, aber passender Synchronstimme)
und Hugo Weaving als Elrond, die problemlos in ihre alten Rollen zurückfinden,
ist vor allem Martin Freeman hervorzuheben, der wirklich die perfekte Besetzung
für Bilbo Beutlin ist. Aber auch die Darsteller der Zwerge sind ausnahmslos
überzeugend und schaffen es mit ihrem Spiel (und der Unterstützung der
Make-Up-Artists, die hier eine oscarreife Leistung abliefern), dass man die
Zwerge tatsächlich als Individuen wahrnimmt, während sie in der Vorlage eher
schwierig zu differenzieren waren.
Auch die lange Laufzeit hat keineswegs nur Nachteile: Denn
es gibt, was bei Literaturverfilmungen ja durchaus etwas besonders ist, kaum
Auslassungen zum Buch. Zu einigen Veränderungen ist es aber schon gekommen, die
aber zu großen Teilen nachvollziehbar sind: Dass z.B. der Ork Azog und sein
Sohn Bolg im Film zu einer einzelnen Figur verschmelzen, ist durchaus sinnvoll
um einen größeren Antagonisten aufzubauen, ohne den der erste Film wohl wie
eine Aneinanderreihung von unzusammenhängenden Episoden hätte wirken können.
Zu einer vieldiskutierten technischen Besonderheit des
Filmes kann ich leider nichts sagen. In unserem Kino wurde
Der Hobbit
statt mit der erhöhten Bildrate von 48 Bildern/Sekunde nur mit den
herkömmlichen 24 Bildern/Sekunde gezeigt, was vor allem in Actionszenen zu
störender Bewegungsunschärfe führte. Wer die Möglichkeit hat, sollte der
technischen Neuerung also eine Chance geben.
Insgesamt ist Peter Jackson mit dem Hobbit leider
kein erneutes Meisterwerk gelungen. Dennoch ist der Film ein sehr
unterhaltsames Fantasy-Abenteuer, dass Fans von Tolkiens Werk oder der Herr-der-Ringe-Filmtrilogie
keinesfalls verpassen sollten. Man darf gespannt sein, ob die beiden weiteren
Teile, die im Dezember 2013 und im Juli 2014 erscheinen sollen, diese Qualität
halten oder gar überbieten können.
Urheber des Fotos von Peter Jackson ist Natasha Baucas. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz
Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).
Urheber des Fotos von Ian McKellen ist Stefan Servos Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz
Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Urheber des Fotos von Martin Freeman ist Fat Les. Es steht unter der Creative Commons Lizenz
Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).