Montag, 25. März 2013

Filmkritik: Silver Linings (2012)

Die Tragikomödie Silver Linings von David. O. Russell war dieses Jahr für acht Oscars nominiert, konnte aber nur in der Kategorie Beste Hauptdarstellerin den begehrten Goldjungen mit nach Hause nehmen. Gerechtfertigt ist das nicht, denn die humorvolle und romantische Geschichte, in der wirklich jeder einen psychischen Knacks zu haben scheint, ist wirklich rundum gelungen.

Regisseur David O. Russell
Pat (Bradley Cooper), der unter einen undiagnostizierten bipolaren Störung leidet, wird aus einer psychiatrischen Klinik entlassen und zieht wieder bei seinen Eltern Pat Sr. (Robert De Niro) und Dolores (Jacki Weaver) ein. Eingeliefert wurde er, nachdem er den Liebhaber seiner Ehefrau Nikki (Brea Bee) zusammengeschlagen hatte. Trotz einer einstweiligen Verfügung, die ihm verbietet, wieder Kontakt mit Nikki aufzunehmen, ist Pat optimistisch, bald wieder mit seiner Frau zusammen sein zu können. Bei einem Abendessen bei seinen guten Freunden Ronnie (John Ortiz) und Veronica (Julia Stiles) lernt Pat Veronicas Schwester Tiffany (Jennifer Lawrence) kennen, die seit dem Tod ihres Mannes ebenfalls unter psychischen Problemen leidet. Tiffany will an einem Tanzwettbewerb teilnehmen und so gehen die beiden einen Handel ein: Wenn Pat mit Tiffany an dem Wettbewerb teilnimmt, gibt sie Nikki einen Brief von ihm...

Gute Schauspieler können einen schlechten Film nicht retten, aber es hängt nicht unerheblich von der Überzeugungskraft der Hauptdarsteller ab, ob wir einem Film seine Geschichte abnehmen oder nicht. So ist es auch bei Silver Linings. Keine Frage, Drehbuch und Inszenierung von David O. Russell, der auch schon für seinen 2010 erschienenen Film The Fighter für den Oscar nominiert worden war, sind wirklich ausgezeichnet. Die Szene, in der Pat nachts um vier ein Buch aus dem geschlossenen Fenster schmeißt und seine Eltern weckt, um sich lauthals darüber aufzuregen, dass Ernest Hemingway kein Happy End geschrieben hat, ist wirklich grandios gemacht. Aber gerade bei einer Komödie, die sich mit einem so ernsten Thema wie dem der psychischen Erkrankungen beschäftigt, sind Glaubwürdigkeit und ein emotionaler Kern unabdingbar, um nicht in geschmacklosen Klamauk abzugleiten.

Bradley Cooper (Pat)
Bradley Cooper und Jennifer Lawrence schaffen es auf beeindruckende Art und Weise, ihren Figuren diese notwendige Tiefe zu geben. Schon in der ersten Szene, wenn Pat in der Klinik eine Rede an seine Frau übt, wir ihn erst nur von hinten sehen und er sich dann zur Kamera umdreht, ist in seinen Augen deutlich zu sehen, wie verletzlich dieser Mann ist und dass ihm die Welt, in der er sich befindet, genau so instabil vorkommen muss, wie er selbst es ist. Bradley Cooper schafft dies mit einer großen Subtilität und es ist immer lohnenswert, ihm in seinen Szenen genau in die Augen zu gucken, denn sie verraten sehr viel über seinen emotionalen Zustand, selbst wenn er sich gerade normal zu benehmen scheint. Und auch wenn er in späteren Szenen die extremen Stimmungsschwankungen seiner Figur darstellt, schafft Cooper es, dies in einer glaubwürdigen Form zu spielen.


Jennifer Lawrence (Tiffany)
Die Rolle von Jennifer Lawrence ist anders angelegt und dementsprechend unterscheidet sich auch ihr Schauspiel. Tiffany versucht, ihr Trauma unter einer toughen und schlagfertigen Hülle zu verbergen und so wirkt diese Rolle auf den ersten Blick so, als wäre sie deutlich einfacher zu spielen, als die des labilen Pat. Doch dieser erste Eindruck täuscht, denn Lawrence gelingt es, in der ersten Hälfte Tiffanys Verletztheit und Unsicherheit an einigen Stellen schon deutlich durchschimmern zu lassen, auch wenn sie dies immer nur in sehr kurzen Momenten erlaubt. Erst gegen Ende brechen die Emotionen stärker aus Tiffany hervor und es wird deutlich, dass beide Hauptdarsteller ihren Job wirklich ausgezeichnet machen. Auch die Nebenrollen sind so perfekt besetzt, dass es unangemessen erscheint, irgendjemanden besonders hervorzuheben. Egal ob Robert De Niro, Jacki Weaver oder John Ortiz, sie alle sind sehr überzeugend in ihren Rollen.

Die Leistung des Regisseurs ist im Gegensatz eher unauffällig geraten und gerade dafür muss man Russell loben. Durch eine dokumentarische Handkamera, die immer nah an den Gesichtern der Protagonisten ist, wird die starke Identifizierung mit den Gefühlen von Pat und Tiffany überhaupt erst möglich. Extravagante Kamerafahrten oder Perspektiven wären nur ablenkend gewesen in einer Geschichte, in der es um die Menschen geht und nicht darum, kunstvolle Bilder zu produzieren. Und gerade an den großartigen schauspielerischen Leistungen merkt man auch die Qualitäten dieses Regisseurs, der es offensichtlich sowohl geschafft hat, seinen Darstellern ihre Figuren möglichst nahe zu bringen, als auch am Set eine Atmosphäre zu schaffen, in der solche emotionalen Szenen überhaupt erst entstehen können.

Aber nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Trotz allem ist Silver Linings immer noch eine Komödie und es gibt wirklich viel zu lachen in diesem Film, gerade weil er es schafft, die Gratwanderung zwischen Humor und Glaubwürdigkeit zu meistern und an keiner Stelle zu platt wird. Lediglich gegen Ende gibt es ein paar Szenen, die dann doch etwas zu typisch für das Genre romantischer Komödien geworden sind. Aber hey, wir sind hier ja schließlich auch immer noch in Hollywood!

Insgesamt ist Silver Linings eine rundum gelungene Tragikomödie, die es sowohl schafft, viele Lacher zu ernten als auch ihre Figuren mit genug Glaubwürdigkeit und Würde auszustatten, um ebenso auf einer emotionalen Ebene berühren zu können. Geschafft wird dies vor allem durch die herausragenden Darsteller, die ihren Figuren eine Tiefe geben, die schon fast ungewöhnlich für einen Film ist, der im Endeffekt doch wieder auf die alte Frage der romantischen Komödie hinausläuft: Kriegen sie sich, oder kriegen sie sich nicht?


Interessante Links:

Urheber der Fotos von David O. Russel und Bradley Cooper ist David Shankbone. Sie stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported.
Urheber des Fotos von Jennifer Lawrence ist Jenn Deering Davis. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).

Freitag, 22. März 2013

Werkschau: Die Filme von Stanley Kubrick (Teil 1)

Stanley Kubrick gilt als einer der wichtigsten Filmemacher aller Zeiten. Viele Regisseure betonen den großen Einfluss, den Kubricks Filme auf ihr eigenes Schaffen hatten, unter ihnen Größen wie Martin Scorsese, Stephen Spielberg und Christopher Nolan. Kubrick legte sich nie auf ein bestimmtes Genre fest, in seinem Lebenswerk finden sich Vertreter der Gattungen Drama, Thriller, Krimi, Kriegsfilm, Science-Fiction, Komödie, Historienfilm und Horror. Nachdem ich schon Kritiken zu einzelnen Filmen veröffentlicht habe, möchte ich nun einen Überblick über das Gesamtwerk dieses außergewöhnlichen Regisseurs geben. Heute in Teil 1 geht es um die frühen Filme Kubricks von 1956 bis 1963.


Die Rechnung ging nicht auf (1956)

Nach drei Dokumentarfilmen und zwei eher wenig erfolgreichen Spielfilmen war The Killing der erste Film, mit dem Kubrick einem größeren Publikum bekannt wurde. In ihm stellt der gerade erst aus dem Gefängnis entlassene Johnny Clay (Sterling Hayden) ein Team zusammen, um eine Pferderennbahn zu überfallen. Möglich wird dies vor allem durch die Einbeziehung des auf der Bahn arbeitenden George Peatty (Elisha Cook), der jedoch, wie die meisten anderen Mitglieder der Gruppe, keinerlei Erfahrung in kriminellen Aktivitäten hat...

Die Rechnung ging nicht auf besticht vor allem durch seine ungewöhnliche Erzählweise. So erfährt der Zuschauer zunächst nichts genaues darüber, wie der Überfall genau gelingen soll, stattdessen wird die Motivation der einzelnen Mitglieder des Teams deutlich gemacht. Der Coup selbst wird dann mehrmals hintereinander aus unterschiedlichen Perspektiven erzählt, doch bis zur letzten Wiederholung immer kurz vor dem Ende abgebrochen, so dass es bis zuletzt spannend bleibt, ob der Überfall gelingen wird oder nicht. Auch positiv hervorzuheben sind die Darsteller und die ausgezeichnete Kameraarbeit. Dennoch ist die Story insgesamt recht typisch für das Genre des Film Noir und die Figuren auch eher eindimensional entworfen. Kubricks inszenatorisches Talent ist hier jedoch bereits deutlich zu erkennen.


Wege zum Ruhm (1957)

Kirk Douglas als Colonel Dax
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Der erste Weltkrieg. Die Front zwischen Frankreich und Deutschland hat sich verhärtet, seit Jahren schon finden erbitterte Kämpfe in den Schützengräben statt. General Mireau (George Macready) beschließt aus Karrieregründen, einen Angriff auf die naheliegende Anhöhe Ant Hill zu befehlen, obwohl er weiß, dass dieser Angriff hohe Verluste bedeuten würde. Colonel Dax (Kirk Douglas) weigert sich zuerst, seine Truppen in den sicheren Tod zu führen, doch als Mireau droht, ihn zu suspendieren, gibt Dax nach. Der Angriff schlägt fehl und Mireau beschließt, an den Soldaten ein Exempel zu statuieren...

Im Gegensatz zu anderen Filmen Kubricks sind die Grenzen zwischen Gut und Böse in diesem Film relativ deutlich gezogen. Mireau bleibt bis zum Schluss des Filmes ein kühl berechnender Fiesling, während Kirk Douglas (wie so oft) den idealistischen Helden verkörpert. Dennoch ist Paths of Glory ein gelungener Film. Dies liegt zum einen an der beeindruckenden Inszenierung: Die langen Kamerafahrten durch das Tunnelsystem und bei der Schlacht haben eine starke Sogwirkung, ein Stilmittel, das zu einem Markenzeichen von Kubrick werden sollte. Auch die Schauspieler sind ausgezeichnet, bis auf Timothy Carey, der in seiner Darstellung des Soldaten Ferol leider ein wenig zum Overacting neigt.


Spartacus (1960)

Der Sklave Spartacus (Kirk Douglas) wird an einen Ausbilder für Gladiatoren (Peter Ustinov) verkauft und zettelt aus Liebe zu der Sklavin Varinia (Jean Simmons) einen Aufstand an. Die Gruppe beschließt, alle Sklaven in ganz Italien zu befreien. Die Machthaber in Rom versuchen alles, um dies zu verhindern, doch die Mitglieder des Senats sind auch untereinander zerstritten...

Spartacus ist der einzige Film Kubricks, bei dem der Regisseur nicht am Drehbuch beteiligt war. Denn ursprünglich sollte noch Anthony Mann Regie führen, der sich jedoch mit Kirk Douglas zerstritt. Das Ergebnis ist ein Film, der ziemlich untypisch für Kubrick ist, aber dennoch einen gelungenen, bildgewaltigen Sandalenfilm mit tollen Schauspielern abgibt. Vor allem Peter Ustinov und der in einer weiteren Nebenrolle auftretende Charles Laughton sind grandios.
➡ Filmkritik zu Spartacus (1960)


Lolita (1962)

Humbert Humbert (James Mason) sucht Quilty (Peter Sellers) in seinem Landhaus auf und erschießt ihn. Den Grund für diesen Mord erzählt der Film in einer langen Rückblende: Humbert ist vernarrt in Lolita (Sue Lyon), die jugendliche Tochter seiner Vermieterin Charlotte (Shelley Winters). Immer stärker werden Humberts Gefühle, bis er sogar beschließt, Charlotte zu heiraten, nur um der Tochter nahe sein zu können. Doch da entdeckt Charlotte eines Tages Humberts Tagebuch...

Vor allem die erste Szene dieser Verfilmung des berühmt-berüchtigten Romans von Vladimir Nabokov ist sehr beeindruckend. Wie der völlig betrunkene Quilty bis zuletzt nicht realisiert, in welcher Gefahr er sich befindet, während der aufgewühlte Humbert versucht, der Situation ein kleines bisschen Würde zu verleihen, ist wirklich grandios. Leider erreicht der Film nie wieder die Spannung dieser ersten Minuten, doch vor allem durch die guten Schauspieler ist Lolita dennoch ein sehenswerter Film.
➡ Filmkritik zu Lolita (1962)


Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964)

Peter Sellers als Dr. Seltsam
© Sony Pictures Home Entertainment
Während des Kalten Krieges kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall: Der General Jack D. Ripper (Sterling Hayden) verliert den Verstand und beschließt, einen Notfallplan in Gang zu setzen, der es ihm erlaubt, seinen Bomberpiloten den sofortigen Angriff auf die Sowjetunion zu befehlen. Präsident Muffley (Peter Sellers) versucht die Situation durch einen Anruf beim russischen Premierminister zu entschärfen, doch muss er erfahren, dass, wenn auch nur eine Bombe fällt, automatisch eine nicht deaktivierbare Weltuntergangsmaschine ausgelöst wird. Hilfe erhofft sich Muffley von dem deutschstämmigen Atomwissenschaftler Dr. Seltsam (Peter Sellers)...

Diese gelungene Farce auf die Idiotie des atomaren Wettrüstens war ursprünglich als Drama geplant, doch Kubrick bemerkte schnell das komische Potenzial, das dieser Geschichte zugrunde liegt. Für die komischen Dialoge war der Schriftsteller Terry Southern zuständig, doch es wurde auch viel improvisiert, vor allem von Peter Sellers, der hier in einer Dreifachrolle brilliert (neben den genannten Figuren verkörpert er noch einen englischen Captain, der vergeblich versucht, Ripper zur Vernunft zu bringen). Auch George C. Scott überzeugt als ein einfältiger General, der bis zuletzt von der militärischen Potenz(!) seiner Bomberflotte begeistert ist.
➡ Filmkritik zu Dr. Seltsam (1964)


Schon diese Filme hätten wohl ausgereicht, um Stanley Kubrick als einen ungewöhnlichen und talentierten Regisseur in die Filmgeschichte eingehen zu lassen, doch seine beiden Meisterwerke sollten erst noch kommen. Freut euch schon auf den zweiten Teil meiner Werkschau zu den Filmen von Stanley Kubrick!

Freitag, 15. März 2013

Filmkritik: I Am Love (2009)

Nach drei Kritiken zu den frühen Filmen von Stanley Kubrick heute einmal etwas Aktuelleres: Das 2009 erschienene italienische Drama Io sono l'amore mit Tilda Swinton in der Hauptrolle berichtet über die Ehefrau eines wohlhabenden Mailänder Geschäftsmanns, die sich in einen jungen, träumerischen Koch verliebt.

Emma (Tilda Swinton) und Antonio (Edoardo Gabbriellini)
© ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
Die Familie Recchi betreibt ein erfolgreiches Textilunternehmen in Mailand. Bei einem opulenten Abendessen eröffnet das gealterte Familienoberhaupt Edoardo (Gabriele Ferzetti) seinen Angehörigen, dass er die Leitung der Firma an seinen Sohn Tancredi (Pippo Delbono) und seinen Enkel Edoardo "Edo" Junior (Flavio Parenti) übertragen will. Bald darauf verstirbt der Patriarch und während Tancredi das Unternehmen gerne verkaufen will, möchte Edo das Erbe des Großvaters nicht einfach aufgeben. Doch auch sein Bruder Gianluca (Mattia Zaccaro), der entgegen des Wunsches seines Großvaters bald auch an den Geschäften der Firma beteiligt ist, ist für einen Verkauf.

Tancredis aus Russland stammende Ehefrau Emma (Tilda Swinton) erfährt unterdessen, dass sich ihre Tochter Elisabetta (Alba Rohrwacher) in eine Frau verliebt hat. Emma freut sich für Betta, aber beide sind sich einig, dass niemand in der Familie davon erfahren darf. Doch dies ist bald nicht mehr das einzige Geheimnis, das Emma für sich behalten muss. Denn eines Tages lernt sie den Koch Antonio (Edoardo Gabbriellini) kennen, der mit Edos Hilfe ein Restaurant eröffnen möchte. Zuerst ist Emma vor allem von Antonios Kochkünsten begeistert, doch bald beginnt sie sich in den jungen Mann zu verlieben, der mit seiner Offenheit und seinem Idealismus ein ganz anderes Leben verspricht, als das der von Gefühlskälte und Oberflächlichkeit geprägten Familie Recchi...

Luca Guadagnino trat erstmals 1999 mit seinem Langfilmdebüt The Protagonists in Erscheinung, in dem auch bereits Tilda Swinton die Hauptrolle spielte. Während der Thriller, der außerhalb Italiens nur auf Filmfestivals zu sehen war, auf Englisch gedreht wurde, musste die in London geborene Swinton zehn Jahre später für I Am Love jedoch tatsächlich Italienisch lernen. Der Film, der in Deutschland auch unter dem Titel Ich bin die Liebe bekannt ist, erhielt international recht positive Kritiken und war sogar für einen Golden Globe als Bester Ausländischer Film und für einen Oscar für das Beste Kostümdesign nominiert.

In seiner Inszenierung ist der Film dabei jedoch ein wenig unzugänglich. Schon bei dem zu Beginn gezeigten Familienfest fallen ungewöhnliche häufige Schnitte, Wechsel von Einstellungsgrößen und Achsensprünge auf, die im starken Gegensatz zu der an diese Stelle eigentlich recht ruhigen Handlung stehen. Wenn Edoardo dann seine Rede hält, ist er die meiste Zeit sogar nur von hinten zu sehen. Vielleicht will der Regisseur hierdurch beim Zuschauer ein gewisses Unwohlsein und auch eine Distanz zum Gezeigten herstellen, was dem Geschehen natürlich auch angemessen ist, denn eine hohe Erwartungshaltung und emotionale Kälte scheinen in dieser Familie vorzuherrschen und auch die wenigsten Familienmitglieder scheinen sich in dieser Szene besonders wohl zu fühlen. Bald hat man sich an diese ungewöhnlichen Stilmittel dann auch gewöhnt und es ist ja generell auch nichts Negatives, sich etwas von filmischen Konventionen zu lösen.

Ansonsten ist der Film nämlich technisch durchaus gelungen, I Am Love ist offensichtlich für die große Leinwand gemacht. Wunderschöne Bilder, teilweise in langen Kamerafahrten eingefangen von Yorick Le Saux, ergänzen sich mit einer prachtvollen Ausstattung und schönen Kostümen. Auch die Darsteller überzeugen durchweg, vor allem natürlich Tilda Swinton, die es schafft, von Anfang an auf recht subtile Art und Weise deutlich zu machen, dass sie trotz alles Reichtums und aller oberflächlicher Freundlichkeit in dieser Familie nicht glücklich werden kann. Aber auch Alba Rohrwacher ist positiv hervorzuheben, vor allem in einer der letzten Einstellungen des Filmes schafft sie es mit Bravour, die innere Zerrissenheit ihrer Figur deutlich zu machen.

Noch scheint die Sonne... Pippo Delbono und Tilda Swinton
© ASCOT ELITE Home Entertainment GmbH
Aber auf anderen Ebenen kann der Film leider nicht so sehr überzeugen. Stellenweise ist der Symbolismus der Bildsprache doch etwas sehr dick aufgetragen, wenn z.B. das Liebesspiel von Emma und Antonio mit Nahaufnahmen von Blumen und Gräsern montiert wird, um den sowieso schon recht stereotypen Gegensatz zwischen emotionaler Kälte in der Stadt und Liebe und Leidenschaft in der Natur auch noch dem letzten Zuschauer verständlich zu machen. Wenn es bei einer Beerdigung dann auch noch anfängt zu regnen, dann ist man endgültig im Klischee angekommen. Ebenso wie die Inszenierung ist auch das Drehbuch ein zweischneidiges Schwert. So können die natürlich wirkenden Dialoge (und auch der erfrischend häufige Verzicht auf eben jene) leider nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass die Geschichte auch aus einer Seifenoper stammen könnte.

Insgesamt erzählt I Am Love eine relativ gewöhnliche Geschichte auf ungewöhnliche Weise und ist dadurch ein interessanter Film geworden, der vor allem für Freunde des Italienischen Kinos oder Fans von Tilda Swinton einen Blick wert sein dürfte. Besonders die Darsteller und Kameramann Yorick Le Saux wissen zu überzeugen, während Inszenierung und Drehbuch leider nicht ohne Schwächen sind.

Samstag, 9. März 2013

Filmkritik: Lolita (1962)

Wenn Dr. Seltsam ein Beispiel dafür ist, dass in einer Komödie von Stanley Kubrick die dunkle Seite des Themas niemals ganz ausgeblendet wird, dann ist der zwei Jahre zuvor entstandene Lolita eines dafür, dass auch in den dramatischeren Filmen Kubricks immer das Groteske der Situation deutlich wird. Denn in der Verfilmung des berühmten Romans von Vladimir Nabokov, in der von den dramatischen Folgen einer sexuellen Obsession erzählt wird, wird auch an humorvollen Szenen nicht gespart.

Peter Sellers (1973)
Humbert Humbert (James Mason) betritt ein Landhaus und findet zwischen leeren Flaschen und zugedeckten Möbeln einen völlig betrunkenen Mann mit dem Namen Quilty (Peter Sellers). Humbert zückt einen Revolver und eröffnet Quilty, ihn wegen einem Mädchen namens Lolita töten zu wollen., Doch Quilty kann sich weder wirklich an Humbert erinnern, noch an Lolita, und auch den Ernst der Lage scheint er nicht wirklich begreifen. Humbert ist sichtlich irritiert von Quiltys Verhalten, dennoch erschießt er ihn, während dieser versucht, sich hinter einem Gemälde zu verstecken.
Vier Jahre zuvor. Humbert, ein aus England stammender Literaturprofessor, will in eine kleine Stadt in New Hampshire ziehen. Die Witwe Charlotte Haze (Shelley Winters) hat ein Zimmer zu vermieten, doch Humbert ist nicht besonders begeistert von der Aussicht, seine Zeit im Hause dieser Frau zu verbringen. Doch als er ihre jugendliche Tochter Lolita (Sue Lyon) im Garten erblickt, beschließt Humbert kurzerhand doch, das Zimmer zu nehmen. Während Charlotte sich Hoffnungen macht, Humberts Herz erobern zu können, verfällt dieser immer mehr ihrer schönen Tochter. Schließlich wird Humberts Begierde so groß, dass er sogar bereit ist, Charlotte zu heiraten, nur um in Lolitas Nähe zu sein. Doch als eines Tages Charlotte das geheime Tagebuch ihres neuen Gatten erblickt, ändert sich die Situation schlagartig...

Der Film Lolita hat ein bedauerliches, weil unnötiges Problem: Die beste Szene kommt direkt am Anfang. Der völlig betrunkene und ziemlich unzurechnungsfähig wirkende Quilty (wieder einmal genial verkörpert von Peter Sellers) ist ungemein witzig in seinem Bemühen, den seltsamen Fremden zum Wegstecken seines Revolvers zu bewegen, während gleichzeitig die Bedrohung durch Humberts Waffe für ungemeine Spannung sorgt. Die ganze Zeit wartet man als Zuschauer darauf, dass Humbert die Geduld verliert und wartet gleichzeitig vergebens darauf, dass Quilty endlich den Ernst der Lage erkennt. Ob Quilty einfach nur zu viel getrunken hat, oder ob er den Verstand verloren hat, beantwortet der Film übrigens nie. Die Ermordung selbst wird dabei sehr nüchtern und nicht besonders stilisiert inszeniert. Humbert schießt Quilty ins Bein und muss dann seinen Revolver nachladen. Schmerzhaft lange Zeit vergeht, während Quilty sich langsam hinter das Gemälde zieht und versucht, Humbert davon zu überzeugen, ihn zu verschonen.
Warum sich Nabokov, als er selbst das Drehbuch zu seiner Romanvorlage verfasste, dafür entschied, diese Szene nach vorne zu verschieben, erschließt sich mir nicht ganz. Natürlich bewirkt sie Suspense, denn man möchte wissen, was Quilty denn gemacht hat, um den Tod zu verdienen, aber auch die Dreiecksbeziehung zwischen Humbert, Charlotte und Lolita gibt genug Spannung her, sodass man diesen grandiosen Moment besser für das Finale aufgehoben hätte.

Der Rest des Filmes ist natürlich keineswegs schlecht, doch in den folgenden zwei Stunden wird leider nie wieder die Intensität dieser ersten Minuten erreicht. Die Stimmung schwankt etwas unentschlossen zwischen Drama, Komödie und Thriller, sodass man als Zuschauer nicht immer hinterherkommt. Vielleicht hätte der Verzicht auf Humor hier für eine größere Spannung sorgen können, auf der anderen Seite ist es bei so einem Thema natürlich auch verständlich, durch Humor eine Distanz zu den Geschehnissen deutlich machen zu wollen.
Bei der Stange halten einen hierbei vor allem die Schauspieler. James Mason verkörpert den gequälten, fast bemitleidenswerten Protagonisten gekonnt und auch die zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 14-jährige Sue Lyon kann in ihrer Rolle als trotziger Teenager durchaus überzeugen. Peter Sellers Figur bleibt die meiste Zeit eher im Hintergrund, aber wenn Quilty auftritt, dann ist das immer ein Highlight, weil Sellers diese rätselhafte Figur gekonnt ambivalent anlegt: Nie ist man sich sicher, wie viel wir vom wahren Quilty zu Gesicht bekommen und wie viel gespielt ist und was eigentlich die Motive dieses Mannes sind. Lediglich Shelley Winters tendierte in einigen Szenen etwas zum Overacting, was aber auch am Drehbuch liegen kann, denn es ist gewiss nicht einfach, in einer Szene zu glänzen, in der man hysterisch einer Urne sein Herz ausschüttet.

Insgesamt ist Lolita ein zweischneidiges Schwert: Tolle Schauspieler und eine großartige Eröffnungsszene können nicht ganz darüber hinwegtäuschen, dass der Film seine Geschichte nicht so richtig in den Griff zu bekommen scheint und auch Kubrick selbst sah diesen Film später als eines seiner weniger gelungenen Werke an. Vielleicht ist Nabokovs Roman ähnlich unverfilmbar wie der thematisch verwandete Tod in Venedig von Thomas Mann, dessen Interpretation durch Luchino Visconti ich auf diesem Blog auch bereits besprochen habe: 
Filmkritik: Der Tod in Venedig (1971)

Urheber des Fotos von Peter Sellers ist Allan Warren. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).

Donnerstag, 7. März 2013

Filmkritik: Dr. Seltsam oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben (1964)

Stanislaw Jewgrafowitsch Petrow hat den Dritten Weltkrieg verhindert. Als der sowjetische Oberstleutnant 1983 auf einem Überwachungsschirm einen Angriff amerikanischer Atomraketen ausmachte, stufte er dies als Fehlalarm ein und verhinderte so den Ausbruch eines Atomkrieges zwischen den beiden Supermächten. Doch wenn Millionen von Menschenleben von der Entscheidung eines einzelnen Soldaten abhängen, was wäre, wenn so ein Mann plötzlich durchdreht? Dieser Frage ging Stanley Kubrick bereits 1964 in seiner Satire Dr. Seltsam Oder: Wie ich lernte, die Bombe zu lieben nach.
 
Ripper und Mandrake unter Beschuss
Ripper (Sterling Hayden) und Mandrake (Peter Sellers)
© Sony Pictures Home Entertainment
Der amerikanische General Jack. D. Ripper (Sterling Hayden) ist überzeugt, dass es die Sowjets auf seine wertvollen Körpersäfte abgesehen haben.  Um diesem Treiben ein für alle Mal ein Ende zu setzen, setzt Ripper einen Notfallplan in Gang, der es ihm ermöglicht, ohne Erlaubnis des Präsidenten einen nuklearen Angriff auf die Sowjetunion zu starten. Der britische Austauschoffizier Mandrake (Peter Sellers) ist entsetzt und versucht verzweifelt, Ripper zu überzeugen, den Angriff abzubrechen, da dieser der einzige ist, der den hierfür benötigten Rückrufcode kennt.

Im War Room des Pentagon unterrichtet General Turgidson (George C. Scott) unterdessen den Präsidenten der Vereinigten Staaten (wieder Peter Sellers) von der Situation. Da der Angriff kaum noch aufzuhalten ist, sei es die sinnvollste Entscheidung, mit allen verfügbaren Flugzeugen und Raketen zuzuschlagen, um einen sowjetischen Gegenschlag so klein wie möglich zu halten. Der Präsident will davon nichts hören und befielt stattdessen, Rippers Militärbasis einzunehmen und von diesem die Herausgabe des Rückrufcodes zu erzwingen. Außerdem informiert er den russischen Präsidenten über die Position der einzelnen Flugzeuge und versucht diesen zu überzeugen, von einem Gegenangriff abzusehen, wenn es doch zu einem Bombenabwurf kommen sollte. Doch dies stellt sich als unmöglich heraus, denn die Russen haben eine vollautomatische „Weltuntergangsmaschine“ entwickelt, die beim Einschlagen der ersten amerikanischen Bombe sofort die gesamte Menschheit vernichten würde. Das Pentagon zieht verzweifelt den aus Deutschland stammenden Nuklearwissenschaftler Dr. Seltsam (auch Peter Sellers) zu Rate...

Der auf dem Roman Red Alert von Peter Bryant basierende Film war zuerst als Drama geplant. Doch schnell stellte sich heraus, dass es unmöglich war, aus diesem Material einen Film ohne unfreiwillig komische Züge zu entwickeln. So entschied sich Stanley Kubrick zum ersten und letzten Mal in seiner Karriere, eine Komödie zu drehen. Doch genauso wie es in Kubricks Dramen auch immer groteske und schwarzhumorige Elemente gibt, hat diese Komödie einen ziemlich düsteren Kern. Denn auch wenn die ganze Logik der nuklearen Abschreckung hier satirisch auf die Spitze getrieben wird, ist dies nur einen kleinen Schritt von der Realität entfernt, die Mitte der 60er Jahre ja bereits ziemlich groteske Züge angenommen hatte. Die Zahl amerikanischer und sowjetischer Atomwaffen zusammengenommen kam einer „Weltuntergangsmaschine“ tatsächlich schon ziemlich nahe und auch die Befürchtungen von Ripper, dass die Sowjets hinter der Fluoridierung des Trinkwasser stecken, um die Amerikaner impotent zu machen, basiert auf einer zu dieser Zeit weit verbreiteten Verschwörungstheorie.

Peter Sellers als Dr. Seltsam
© Sony Pictures Home Entertainment
So kann es bei einer falschen Erwartungshaltung an diesen Film durchaus zu Enttäuschungen kommen. Denn wirklich laut lachen muss man nur in den wenigsten Momenten, meistens macht sich eher ein Kopfschütteln breit über die verquere Logik, die hinter dem jahrzehntelangen Wettrüsten der beiden Supermächte steckte. Wenn es dann doch auch mal wirklich witzig wird, liegt das vor allem an den großartigen Darstellern. Wenn sich George C. Scott als der testosterongesteuerte General Turgidson immer wieder voller Euphorie über die Schlagkraft seiner Luftwaffe äußert, obwohl diese gerade drauf und dran ist, das Ende der Menschheit zu bewirken, ist das wirklich zu köstlich. Besonders beeindruckend ist aber freilich die Leistung von Peter Sellers, der es schafft, die drei von ihm dargestellten Figuren auf solch unterschiedliche Art und Weise zu verkörpern, dass man ohne entsprechendes Hintergrundwissen überhaupt nicht auf die Idee kommen würde, dass es sich um den selben Schauspieler handeln könnte. Und wenn Sellers dann am Ende als Dr. Seltsam verzweifelt versucht, seinen sich immer wieder selbstständig machenden rechten Arm vom Hitlergruß abzuhalten und den Präsidenten versehentlich als „Mein Führer“ anspricht, dann gibt es wirklich kein Halten mehr.

Insgesamt ist Dr. Seltsam eine gelungen Abrechnung mit der verqueren Logik des Kalten Krieges. Vor allem Peter Sellers und George C. Scott ernten mit ihrem Schauspiel viele Lacher, auch wenn einem diese wegen der ernsten Thematik manchmal regelrecht im Halse stecken bleiben. Freilich hätte dieser Film insgesamt noch witziger werden können, aber vielleicht schafft er es gerade deswegen, nicht nur zu unterhalten, sondern auch zum Nachdenken anzuregen. 

Montag, 4. März 2013

Filmkritik: Spartacus (1960)

Stanley Kubrick war ein Autorenfilmer. Auch wenn er sich in den meisten seiner Filme, wie Uhrwerk Orange (1971) oder Shining (1980), an einer literarischen Vorlage orientierte, hatte der Regisseur in Bezug auf das Drehbuch immer das letzte Wort. Wirklich immer? Nein, denn im Jahr 1960, drei Jahre nach Kubricks erstem größeren Erfolg Wege zum Ruhm, bekam der damals erst 30-Jährige kurzfristig die Regie an dem Monumentalfilm Spartacus angeboten, dessen Drehbuch längst fertiggestellt war. Das Resultat ist ein gelungener Sandalenfilm, der aber nicht wirklich zum Gesamtwerk des extravaganten Filmemachers passen will.

Die römische Provinz Libyen. Der Sklave Spartacus (Kirk Douglas) ist bei seinen Besitzern für sein rebellisches Gemüt bekannt. Als eines Tages der Besitzer einer Gladiatorenschule, Lentulus Batiatus (Peter Ustinov), unter den im Berbau arbeitenden Sklaven nach neuen Talenten Ausschau hält, ist Spartacus gerade zur Strafe für den Angriff auf einen Römer an einen Felsen gekettet. Batiatus ist von dem Stolz des Sklaven beeindruckt, und entscheidet, Spartacus bei sich zum Gladiator auszubilden.
Während des Trainings in Capua verliebt sich Spartacus in die schöne Sklavin Varinia (Jean Simmons). Als er eines Tages erfährt, dass sie an den römischen  Feldherren Marcus Licinius Crassus (Laurence Olivier) verkauft worden ist, zettelt Spartacus einen Aufstand der Gladiatoren an. Sie können sich aus Capua befreien und beginnen, Sklaven in ganz Italien in die Freiheit zu entlassen. Rom muss handeln, doch auch im Senat gibt es Konflikte. Während der Patrizier Crassus nach diktatorischer Macht strebt, versucht der Volkstribun Sempronius Gracchus (Charles Laughton) alles, um dies zu verhindern...

Bei Beginn der Dreharbeiten Anfang 1959 war es noch Anthony Mann (Quo Vadis (1951)), der auf dem Regiestuhl saß. Doch nach einem Konflikt mit Hauptdarsteller und Executive Producer Kirk Douglas wurde Mann gefeuert. Douglas engagierte daraufhin Kubrick, mit dem er bereits in Wege zum Ruhm erfolgreich zusammengearbeitet hatte. Dieser war von dem moralisierenden Drehbuch, das Dalton Trumbo verfasst hatte, nicht unbedingt angetan, doch er nahm das Angebot dennoch an. Der Perfektionismus Kubricks trieb die Produktionskosten deutlich in die Höhe, die am Ende 12 Millionen Dollar betrugen. Kameramann Russel Metty beschwerte sich später, dass er nur wenig zu tun gehabt habe, weil Kubrick meist selbst hinter der Kamera stand, den Oscar für die beste Cinematographie bekam aber letztendlich aber natürlich trotzdem Metty, der ihn nicht ablehnte.

Peter Ustinov (Batiatus)
Weiteres Oscars erhielt der Film für das beste Szenenbild, die besten Kostüme und den besten Nebendarsteller (Peter Ustinov) und hat diese zweifellos verdient. Spartacus ist ein richtiger Historien-Epos und die prächtigen Technirama-Bilder, die beeindruckenden Bauten und die schönen Kostüme sind insgesamt eine regelrechte Augenweide. Lediglich einigen kleineren im Wald angesiedelten Szenen ist es leider etwas zu deutlich anzusehen, dass sie tatsächlich in einem Studio entstanden sind. Auch die Arbeit der Schauspieler ist insgesamt als gelungen zu bezeichnen. Besonders Peter Ustinov spielt den arroganten, aber eigentlich feigen Batiatus sehr natürlich, humorvoll und mit einem Gefühl für kleine Gesten, sodass er zwischen allen Darstellern deutlich heraussticht. Besonders tritt dies in den Szenen mit Charles Laughton zutage, der hier auch wieder eine grandiose Leistung abgibt. Die Chemie zwischen den beiden Darstellern stimmt so wunderbar, dass ich sie am liebsten noch öfter zu Gesicht bekommen hätte. Die anderen Schauspieler machen ihre Arbeit aber auch sehr gut, wenngleich bei ihnen öfter noch eine gewisse Theatralik vorherrscht, was in Filmen aus dieser Zeit aber auch nichts weiter Ungewöhnliches ist. Einzig der Darsteller des Gladiatorentrainers Marcellus fällt etwas negativ auf, da Charles McGraw es im Originalton etwas damit übertreibt, seiner Stimme eine besondere Männlichkeit zu verleihen, weshalb diese Szenen nur knapp an unfreiwilliger Komik vorbeischrammen.

Inhaltlich hat Spartacus eher wenige Überraschungen zu bieten, es wird auch hier wieder einmal deutlich, dass es in Historienfilmen stärker auf die epischen Bilder ankommt, als auf eine besondere Geschichte. Langeweile kommt in der dreistündigen Laufzeit allerdings höchstens etwas im Mittelteil auf, in dem vor allem Dialoge dominieren während die eigentliche Handlung etwas auf der Stelle tritt. Umso beeindruckender ist dann die finale Schlacht, die mit tausenden von Komparsen gedreht wurde und damit eine Wirkung hat, die mit den computergenerierten Heeren moderner Filme kaum zu vergleichen ist. Wenn in einer langen Szene die römischen Soldaten langsam im Gleichschritt auf die Kamera zumarschieren ist das wirklich Gänsehaut pur. Positiv hervorzuheben ist auch noch, dass, im Gegensatz zu dem im vorherigen Jahr veröffentlichten Ben Hur, hier gänzlich auf religiösen Kitsch verzichtet wurde, weshalb ich Spartacus ingesamt sogar als den etwas besseren Film dieser beiden Historien-Klassiker bezeichnen würde.

Wer bei Spartacus einen typischen Kubrick-Film erwartet, der dürfte enttäuscht sein. Zwar ist den beeindruckenden Bildern der Perfektionismus des Regisseurs deutlich anzumerken, aber insgesamt ist der Film doch relativ gewöhnlich für so einen außergewöhnlichen Filmemacher. Fans von Monumentalfilmen, Peter Ustinov oder natürlich Kirk Douglas sollten Spartacus aber auf jeden Fall gesehen haben.

Urheber des Fotos von Peter Ustinov ist Allan Warren. Es seht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).