Freitag, 25. Oktober 2013

Kurzkritiken Halloween 2013

Bald ist Halloween! Inspiriert durch ein Gewinnspiel bei Intergalaktische Filmreisen gibt es deshalb heute eine ganz besondere Sammlung von Kurzkritiken: Fünf mehr oder minder gruselige Filme, die ich dieses Jahr gesehen habe, die aber noch nicht auf diesem Blog besprochen wurden.


Evil Dead (2013)

Hauptdarstellerin Jane Levy
Im Remake des Splatter-Klassikers Tanz der Teufel verschlägt es eine Gruppe von Freunden in eine Hütte mitten im Wald. Dort, abseits von jeglicher Zivilisation, soll die drogensüchtige Mia (Jane Levy) einen kalten Entzug durchmachen. Nach der Entdeckung eines mysteriösen Buches erwacht jedoch das Böse in den Wäldern zum Leben und versucht, von den fünf Freunden Besitz zu ergreifen. Ein blutiger Kampf um Leben und Tod beginnt...

Sam Raimis Tanz der Teufel von 1981 ist ein Klassiker des Horror-Kinos. Trotz seiner Amateur-Schauspieler und der teilweise eher mittelmäßigen Effekte entwickelt der Film eine unvergleichliche Atmosphäre. Auf dieser Ebene kann das Remake leider nicht vollständig mithalten. Zwar sind Schauspieler und Effekte deutlich professioneller, dafür ist weder der Spannungsaufbau noch die Darstellung des mysteriösen Bösen so effektiv, wie dies im Original der Fall gewesen ist. So ist Evil Dead zwar ein durchaus spannender und unterhaltsamer Splatter-Film, aber wirklich gruselig wird es eigentlich nie.


Ghostbusters (1984)

Bill Murray (2010)
Ein weiterer Klassiker der 80er Jahre, von dem zum Glück bisher noch kein Remake geplant ist, ist die Gruselkomödie Ghostbusters. Als die drei Parapsychologen Ray (Dan Akroyd), Peter (Bill Murray) und Egon (Harold Raimis) von der Columbia University geworfen werden, beschließen sie, Geisterjäger zu werden. Ihre Arbeit ist sehr erfolgreich, bis sie mit einem Gegner konfrontiert werden, der mächtiger ist als alles, was ihnen je vor die Strahlenkanonen gekommen ist: Gozer, der Vernichter...

Wenn einige der besten Comedians der 80er Jahre (neben den bereits genannten spielt Rick Moranis eine geniale Nebenrolle) einen Knallerspruch nach dem nächsten abliefern, dann ist das schon einmal die halbe Miete. Zusammen mit den tollen Special Effects, dem zeitlosen Titelsong und diesem unvergleichlichen Flair der 80er ergibt sich so auch heute noch wunderbares Popcorn-Kino. Da kann man auch leicht darüber hinwegsehen, dass die Story natürlich ziemlich flach und auch nicht besonders spannend ist. Angeblich ist ja ein dritter Teil in Planung, aber ob das heute noch funktionieren kann?


Die Vögel (1963)

Alfred Hitchcock (1956)
Melanie Daniels (Tippi Hedren) lernt in einer Tierhandlung in San Francisco den erfolgreichen Anwalt Mitch Brenner (Rod Taylor) kennen. Die beiden flirten miteinander und Melanie beschließt, Mitch in seinem Elternhaus in Bodega Bay einen Überraschungsbesuch abzustatten. Dort angekommen kommt es zu einem mysteriösen Angriff durch eine Möwe, obwohl diese Tiere sich normalerweise niemals aggressiv gegenüber Menschen verhalten. Melanie bleibt einige Tage in der kleinen Küstenstadt und die Zwischenfälle häufen sich, bis sie schließlich apokalyptische Ausmaße annehmen: In riesigen Schwärmen stürzen sich die Vögel auf die Bewohner des kleinen Ortes...

Man macht sich als Filmfan nicht unbedingt beliebt, wenn man Werke von Alfred Hitchcock kritisiert. Aber auch wenn ich viele seiner Filme grandios finde (z.B. Psycho und Der unsichtbare Dritte), sprechen mich einige Werke des großen Regisseurs deutlich weniger an. Die Vögel liegt da irgendwo in der Mitte. Der Film ist in ansprechenden Bildern gefilmt, gut gespielt und hat beeindruckende Spezialeffekte, weshalb ich ihn als insgesamt durchaus unterhaltsam betrachte. Die Entscheidung, statt herkömmlicher Filmmusik lediglich Vogelgeräusche zu benutzen, ist zwar mutig und kreativ, dennoch hätte mir ein symphonischer Score von Bernard Herrmann vermutlich deutlich besser gefallen. Das größere Manko des Films ist allerdings noch sehr viel schwerwiegender: Er ist jetzt, 50 Jahre später, einfach nicht mehr gruselig.


Der weiße Hai (1975)

Am Strand des amerikanischen Badeortes Amity wird eine junge Frau Opfer eines Hai-Angriffs. Der neue Polizeichef Martin Brody (Roy Scheider) drängt darauf, die Strände zu schließen, doch Bürgermeister Vaughn (Murray Hamilton) ist nicht bereit, auf die Touristeneinnahmen zu verzichten. Dies stellt sich bald als ein schwerwiegender Fehler heraus...

Steven Spielberg (2012)
Steven Spielbergs Jaws gilt als einer der ersten modernen Hollywood-Blockbuster und auch heute noch ist es leicht nachzuvollziehen, warum dieser Film damals ein solch großer Erfolg geworden ist: Die (zumindest zum Teil aufgrund von technischen Schwierigkeiten mit dem Animatronic getroffene) Entscheidung, den Hai nur sehr selten zu zeigen und stattdessen die Angriffe aus der subjektiven Perspektive des Tieres zu filmen, ist ungeheuer effektiv in ihrem Spannungsaufbau. Unterstützt von der minimalistischen und gerade deshalb unvergesslichen Filmmusik von John Williams sind es vor allem diese Szenen aus der ersten Hälfte des Films, die restlos überzeugen können. In der zweiten Hälfte wird jedoch der Jäger zum Gejagten und der Film bewegt sich ein gutes Stück in Richtung Abenteuerfilm, wodurch die Spannung ein wenig abnimmt, doch insgesamt ist Der weiße Hai ohne Frage einer der besten Horrorfilme aller Zeiten.


Zombieland (2009)

Jesse Eisenberg
Nach einer Zombie-Apokalypse gibt es nur noch wenige Menschen, die sich nach wie vor gegen die Untoten zur Wehr setzten. Einer von ihnen ist der schüchterne „Columbus“ (Jesse Eisenberg), der sich auf der Suche nach seinen Eltern in Ohio befindet. Eines Tages trifft er auf den draufgängerischen „Tallahassee“ (Woody Harrelson), der in die gleiche Richtung unterwegs ist, weshalb sie beschließen, einen Teil ihrer Reise gemeinsam zu unternehmen. In einem Supermarkt treffen sie schließlich auf die Schwestern „Wichita“ (Emma Stone) und „Little Rock“ (Abigail Breslin), von denen sie erfahren, dass es in Los Angeles einen Vergnügungspark geben soll, der von den Zombies bisher verschont geblieben ist...

Die britische Produktion Shaun of the Dead hat 2004 gezeigt, dass eine humorvolle Hommage an das Genre des Zombiefilms dann am besten funktioniert, wenn man sich die Mühe macht, nebenbei auch eine gute Geschichte mit interessanten Charakteren zu erzählen. Die Macher von Zombieland haben sich hingegen für eine eher oberflächlichere Vorgehensweise entschieden und liefern stereotype Figuren, deren zwischenmenschliche Konflikte zu keinem Zeitpunkt besonders wahrhaftig erscheinen. Das wäre nur halb so schlimm, wenn es denn wenigstens eine hohe Gagdichte und kreative Formen der Untotenbeseitigung zu bestaunen gäbe. Stattdessen plätschert der Film aber eher unwitzig, unkreativ und unspannend vor sich hin, woran leider auch ein Gastauftritt von Bill Murray nur wenig ändern kann.



Urheber des Fotos von Jane Levy ist Gage Skidmore. Urheber des Fotos von Bill Murray ist gdcgraphics. Urheber des Fotos von Jesse Eisenberg ist Steve Rogers. Alle drei stehen unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0).
Urheber des Fotos von Steven Spielberg ist Romain DUBOIS. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).

Donnerstag, 17. Oktober 2013

Filmkritik: Gravity (2013)

Der Weltraum-Katastrophenfilm Gravity hat in den USA mit einem Box Office von 56 Millionen Dollar am Startwochenende einen der besten Herbststarts aller Zeiten hingelegt. Regisseur Alfonso Cuarón beweist, dass es kein bekanntes Franchise braucht, um mit einem Science-Fiction-Film Erfolg zu haben und schafft zudem den visuell beeindruckendsten Film des Jahres.

Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Wie ich bereits in meinem Jahresrückblick 2012 ausführlicher thematisiert habe, trifft dieses Sprichwort leider auch auf das Mainstream-Kino zu: Die meisten der erfolgreichsten Filme des Jahres sind direkte Fortsetzungen anderer Filme oder stützen sich auf bekannte Franchises. Auch in diesem Jahr setzt sich dieser Trend fort: An den amerikanischen Kinokassen sind die sieben erfolgreichsten Filme des Jahres ausnahmslos Sequels oder greifen auf bereits bekannte Figuren zurück. Erst danach kommen mit Die Croods, Taffe Mädels und World War Z Filme, die eine (mehr oder weniger) neue Geschichte erzählen.

Man kann jedoch den Filmproduktionsfirmen nicht vorwerfen, es nicht zu versuchen. Wenn man nur das Science-Fiction-Genre betrachtet, gab es in diesem Jahr fünf große Produktionen, die ihre Zuschauer tatsächlich in eine unbekannte Welt entführten. Das Publikum dankte den Studios diesen Mut jedoch nicht: Oblivion, After Earth und Elysium waren relativ deutliche Flops, während Pacific Rim zumindest auf den asiatischen Märkten zum Erfolg wurde. Ausgerechnet im normalerweise eher ruhigen Oktober hat sich mit Gravity nun jedoch endlich ein Kassenschlager unter die innovativeren Filme des Genres gesellt: In nur zwei Wochen hat der Film auf dem amerikanischen Markt bereits mehr eingespielt als jedes andere der vier genannten Werke. Zu tun hat dies wohl vor allem mit den fast ausschließlich positiven Rezensionen, die der Film seit seiner Premiere auf den Filmfestspielen in Venedig erhalten hat. Die amerikanische Website Rotten Tomatoes verzeichnet 98 % an positiven Kritiken und listet Gravity damit als einen der am besten rezensierten Filme des Jahres.

Sandra Bullock
Die grundlegende Handlung des Films ist schnell erzählt: In einer Version der nahen Zukunft, in der das amerikanische Space-Shuttle-Programm nicht eingestellt wurde, hat die Mission STS-157 den Auftrag, Wartungsarbeiten am Hubble Weltraumteleskop auszuführen. Für den Astronauten Matt Kowalski (George Clooney) ist es der letzte Ausflug ins All, weshalb er beim Weltraumspaziergang vor allem die Aussicht genießt. Die Medizinerin Ryan Stone (Sandra Bullock) hat hingegen mit Übelkeit zu kämpfen; sie ist das erste Mal im Weltraum und noch nicht an die Schwerelosigkeit gewöhnt. Plötzlich kommt es zu einem folgenschweren Zwischenfall: Eine Trümmerwolke zerstörter Satelliten bewegt sich mit hoher Geschwindigkeit auf die Astronauten zu. Der Weltraumspaziergang wird abgebrochen, doch es ist zu spät: Der Einschlag der Trümmer hat verheerende Auswirkungen, in deren Folge Stone unkontrolliert in den Weltraum geschleudert wird...

Regisseur Alfonso Cuarón
Vor allem die ersten Minuten dieses Films werden fraglos in die Filmgeschichte eingehen. Regisseur Alfonso Cuarón und Kameramann Emmanuel Lubezki haben bereits in ihrer Inszenierung von Children of Men gezeigt, wie gekonnt sie es verstehen, Action-Szenen mit einer dynamischen Steadicam und so wenig Schnitten wie möglich zu inszenieren und diesen dadurch eine stark spannungssteigernde Unmittelbarkeit zu verleihen. Auch in Gravity machen sie von dieser Technik regen Gebrauch und durch die schwerelose Eleganz, mit der die Kamera durch das All gleitet, wirken diese minutenlangen Einstellungen noch beeindruckender. Zusammen mit den ausgezeichneten Special Effects und dem sehr guten Einsatz von 3D wird ein Kinoerlebnis erzeugt, das es in dieser Form noch nicht gegeben hat: In einer atemberaubenden Achterbahnfahrt durch den Weltraum steigt der Adrenalinspiegel merklich in die Höhe und man fühlt sich beinahe so, als würde man selbst jederzeit in der Gefahr stehen, in die Einsamkeit des Weltalls abzudriften. Auch im weiteren Verlauf der Handlung sind es immer wieder diese beinahe schnittfreien Action-Sequenzen, die wirklich restlos überzeugen können.

Positiv zu erwähnen ist auch der hochgradige Realismus, der den Film stark von anderen Vertretern des Genres, wie z.B. den aktuellen Filmen des Star-Trek-Franchises, abhebt. Anstatt eine ferne Zukunft mit etlichen technischen Weiterentwicklungen zu zeigen, wird sich stark an der tatsächlichen aktuellen Raumfahrttechnik orientiert. Egal ob Raumanzüge, Werkzeuge oder die Internationale Raumstation ISS, alles sieht weitgehend so aus, wie dies auch in der Wirklichkeit der Fall ist, weshalb man darüber debattieren könnte, ob es sich überhaupt um Science Fiction handelt und nicht eher um ein Action-Drama, das einfach nur im Weltall spielt. Auch ungewöhnlich ist, dass Gravity tatsächlich beachtet, dass es im Weltraum keinen Schall gibt. Bei Außenaufnahmen ist ausschließlich das zu hören, was die Astronauten in ihren Raumanzügen akustisch wahrnehmen können: Den eigenen Atem, die Technik des Anzuges und die Funksprüche der Kollegen. Die zerstörerischen Auswirkungen der Trümmereinschläge sind nur dann zu hören, wenn durch sie die Raumanzüge der Protagonisten in Schwingung versetzt werden.
Dennoch kommt der Film natürlich nicht ganz ohne künstlerische Freiheiten aus: So befindet sich beispielsweise das Hubble fälschlicherweise in direkter Nähe zur Internationalen Raumstation, die Auswirkungen des Satelliten-Zwischenfalls auf die Funkkommunikation werde übertrieben dargestellt und viele Szenen entsprechen nicht ganz den in der Schwerelosigkeit gültigen physikalischen Gesetzen. Dennoch kann Gravity wohl die realistischste Darstellung der Raumfahrt seit Apollo 13 attestiert werden.

George Clooney (2009)
Leider gibt es dennoch einige Punkte, die verhindern, dass man den Film tatsächlich als ein Meisterwerk bezeichnen könnte. Letztlich handelt es sich lediglich um einen Katastrophenfilm im Weltall: Die spektakulären Szenen werden durch eine recht simple Zurück-Nach-Hause-Dramaturgie aneinandergereiht, ohne dass jemals der Versuch unternommen wird, dem Film etwas mehr Tiefe zu verleihen. Auch wird dem Publikum kaum die Möglichkeit gegeben, die Einsamkeit und Lebensfeindlichkeit des Weltraums auf einer emotionalen Ebene nachzuvollziehen. Wenn Stone zu Beginn des Films alleine vom Shuttle abtreibt und Gefahr läuft, verloren zu gehen, spielt Bullock dies zwar durchaus panisch, dennoch überträgt sich leider durch die actionbetonte Inszenierung kaum das Gefühl von Verzweiflung und Todesangst auf den Zuschauer, wie es in solch einer Szene eigentlich nötig wäre. Noch schlimmer ist es bei der Figur von George Clooney, der niemals seine Coolness verliert und so sehr oberflächlich bleibt. Spätere Versuche, zumindest Ryan Stone mehr Tiefe zu verleihen, wirken hingegen unheimlich unbeholfen: Die Geschichte einer verlorenen Tochter und die Gespräche über dieses Thema wirken unglaubwürdig und kalkuliert. Der traurige Höhepunkt findet sich relativ spät im Film, wo ein Funkkontakt zur Erde zu einer berührend gemeinten aber insgesamt eher peinlichen Szene führt, die nur durch Sandra Bullocks Schauspielkünste vor der völligen Lächerlichkeit bewahrt wird.

So ist Gravity insgesamt ein ziemlich zweischneidiges Schwert. Während Inszenierung, Kamera-Arbeit und Spezialeffekte an Perfektion grenzen und den Action-Szenen eine unglaublich intensive Wirkung verleihen, hat das Drehbuch zu viele Schwächen, um den Film als das Meisterwerk bezeichnen zu könne, als das es vielerorts gehandelt wird. Wegen der atemberaubenden Bilder und der hohen Spannung sollte man sich Gravity dennoch unbedingt auf der großen Leinwand ansehen.

Trailer:


Urheber des Fotos von Sandra Bullock ist Richard Goldschmidt. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0)
Urheber des Fotos von Alfonso Cuarón ist Gage Skidmore. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0)
Urheber des Fotos von George Clooney ist Nicolas Genin. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0)

Donnerstag, 10. Oktober 2013

Filmkritik: Frances Ha (2012)

Von den Kritikern gelobt, doch an den Kinokassen nur wenig erfolgreich: Die Tragikomödie Frances Ha von Noah Baumbach erzählt von einer jungen Frau in New York, die Tänzerin werden will. 

Sophie (Mickey Summer) und Frances (Greta Gerwig)
© Copyright Pine District, LLC./ MFA+ FilmDistribuion e.K.
Der Schauplatz ist New York, die Bilder sind in körnigem Schwarz/Weiß gedreht. Eine ernstzunehmende Geschichte gibt es eigentlich nicht, stattdessen begleitet die Kamera die sich in einer Identitätskrise befindliche Hauptfigur des Films bei einer Reihe von mehr oder weniger alltäglichen Begebenheiten, die größtenteils in einer humorvollen Art und Weise dargestellt werden. Ja, ein Vergleich zu Woody Allens Klassiker Manhattan (1979) drängt sich irgendwie auf, wenn man sich Noah Baumbachs Independent-Komödie Frances Ha ansieht, die seit dem 1. August in den deutschen Kinos läuft. Und tatsächlich äußerte der Regisseur in Interviews, dass er sich beim Look des Films an den frühen Werken Allens orientierte. Doch abgesehen von diesen eher oberflächlichen Ähnlichkeiten handelt es sich doch um zwei sehr unterschiedliche Filme, was unter anderem an den recht gegensätzlichen Hauptfiguren liegt. Statt eines zynischen Intellektuellen in der Midlife-Crisis steht in Frances Ha eine 27-jährige Tänzerin im Mittelpunkt, die Schwierigkeiten hat, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Frances (Greta Gerwig) wohnt mit ihrer besten Freundin Sophie (Mickey Summer) in einer WG und macht eine Ausbildung bei einem Tanzensemble in Brooklyn. Doch als Sophie beschließt, in einen anderen Stadtteil zu ziehen, zieht dies eine Reihe von Veränderungen für Frances nach sich...

Greta Gerwig, die zusammen mit Baumbach auch das Drehbuch geschrieben hat, legt Frances als eine ausgesprochen ungewöhnliche Protagonistin an, die in ihrer naiven Skurrilität auf der einen Seite sehr sympathisch ist, auf der anderen aber in vielen Situationen zum Fremdschämen einlädt. So ist diese Figur gleichzeitig überspitzt und wirkt dennoch realistisch, was sich auch über die vielen grotesken Situationen und Gespräche sagen lässt, die im Verlaufe des Films gezeigt werden. Frances steht hierbei für eine Generation, die erst deutlich später erwachsen werden muss, als dies früher der Fall war, und deren Leben von viel Freiheit, aber auch von viel Unsicherheit geprägt ist. Frances lebt, wie so viele in ihrem Alter, ziellos vor sich hin und der Film nimmt sich in seiner Struktur diesen Lebensstil zum Vorbild. Denn auch wenn die Protagonistin durchaus die eine oder andere Prüfung zu bestehen hat und eine gewisse Entwicklung durchmacht, sind Dramaturgie und Spannung keine Schwerpunkte in Baumbachs Inszenierung. Aber auch der Humor ist eher von der subtilen Sorte, weshalb der Film insgesamt nicht unbedingt als fesselnd zu bezeichnen ist.

Dies sind Aspekte, die mich in Manhattan gestört haben und auch hier hätte ich mir stellenweise einfach etwas „mehr“ gewünscht. Dass mir Frances Ha insgesamt dennoch recht gut gefallen hat, liegt vor allem an zwei Dingen: Zum einen ist die Hauptfigur so gut geschrieben und gespielt, dass es eine Freude ist, 90 Minuten mit ihr zu verbringen. Zum anderen, und da besteht ein weiterer großer Unterschied zu Allens Klassiker, hat die Geschichte einen emotionalen Kern, der den Film zu mehr macht als eine reine Komödie. Frances erfährt, dass sie das Tanzensemble verlassen muss und entscheidet sich in einer Kurzschlusshandlung zu einem Wochenendausflug nach Paris. Dort angekommen will sie sich mit einer Freundin treffen, die sie jedoch nicht erreicht, weshalb sie ihre Zeit schließlich mit ziellosen Wanderungen durch die Stadt verbringt. In einem Telefonat mit Sophie versucht Frances, ihre Frustration und Einsamkeit zu überspielen, doch in Greta Gerwigs Schauspiel sind sie dennoch offenbar und für den Zuschauer deutlich mitfühlbar. Und in diesem Moment wird spätestens deutlich, dass Frances Ha mehr ist, als eine Aneinanderreihung humorvoller Ereignisse. Es geht um den Wunsch danach, einen Platz in dieser Welt zu finden, an dem man sich zu Hause fühlen kann, und darum, wie schwierig es sein kann, diesen in unserer heutigen Welt zu finden.

Da Frances Ha weder besonders spannend noch zum Wegschmeißen lustig ist, muss man als Zuschauer schon etwas Geduld mitbringen. Doch das wird belohnt, denn der Film hat nicht nur eine der ungewöhnlichsten Protagonistinnen dieses Kinojahres, sondern erzählt auch viele Wahrheiten über das Leben der Mittzwanziger am Anfang des 21. Jahrhunderts.

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Auch wenn Frances Ha nun schon in der 11. Woche läuft, ist er deutschlandweit immer noch in ca. 50 Kinos zu sehen. Wo genau steht auf kino.de. Ab 3. Dezember ist der Film außerdem auf DVD und BluRay erhältlich.