Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Wie ich bereits in meinem Jahresrückblick 2012 ausführlicher thematisiert habe, trifft dieses Sprichwort leider auch auf das Mainstream-Kino zu: Die meisten der erfolgreichsten Filme des Jahres sind direkte Fortsetzungen anderer Filme oder stützen sich auf bekannte Franchises. Auch in diesem Jahr setzt sich dieser Trend fort: An den amerikanischen Kinokassen sind die sieben erfolgreichsten Filme des Jahres ausnahmslos Sequels oder greifen auf bereits bekannte Figuren zurück. Erst danach kommen mit Die Croods, Taffe Mädels und World War Z Filme, die eine (mehr oder weniger) neue Geschichte erzählen.
Man kann jedoch den Filmproduktionsfirmen nicht vorwerfen, es nicht zu versuchen. Wenn man nur das Science-Fiction-Genre betrachtet, gab es in diesem Jahr fünf große Produktionen, die ihre Zuschauer tatsächlich in eine unbekannte Welt entführten. Das Publikum dankte den Studios diesen Mut jedoch nicht: Oblivion, After Earth und Elysium waren relativ deutliche Flops, während Pacific Rim zumindest auf den asiatischen Märkten zum Erfolg wurde. Ausgerechnet im normalerweise eher ruhigen Oktober hat sich mit Gravity nun jedoch endlich ein Kassenschlager unter die innovativeren Filme des Genres gesellt: In nur zwei Wochen hat der Film auf dem amerikanischen Markt bereits mehr eingespielt als jedes andere der vier genannten Werke. Zu tun hat dies wohl vor allem mit den fast ausschließlich positiven Rezensionen, die der Film seit seiner Premiere auf den Filmfestspielen in Venedig erhalten hat. Die amerikanische Website Rotten Tomatoes verzeichnet 98 % an positiven Kritiken und listet Gravity damit als einen der am besten rezensierten Filme des Jahres.
Sandra Bullock |
Regisseur Alfonso Cuarón |
Positiv zu erwähnen ist auch der hochgradige Realismus, der den Film stark von anderen Vertretern des Genres, wie z.B. den aktuellen Filmen des Star-Trek-Franchises, abhebt. Anstatt eine ferne Zukunft mit etlichen technischen Weiterentwicklungen zu zeigen, wird sich stark an der tatsächlichen aktuellen Raumfahrttechnik orientiert. Egal ob Raumanzüge, Werkzeuge oder die Internationale Raumstation ISS, alles sieht weitgehend so aus, wie dies auch in der Wirklichkeit der Fall ist, weshalb man darüber debattieren könnte, ob es sich überhaupt um Science Fiction handelt und nicht eher um ein Action-Drama, das einfach nur im Weltall spielt. Auch ungewöhnlich ist, dass Gravity tatsächlich beachtet, dass es im Weltraum keinen Schall gibt. Bei Außenaufnahmen ist ausschließlich das zu hören, was die Astronauten in ihren Raumanzügen akustisch wahrnehmen können: Den eigenen Atem, die Technik des Anzuges und die Funksprüche der Kollegen. Die zerstörerischen Auswirkungen der Trümmereinschläge sind nur dann zu hören, wenn durch sie die Raumanzüge der Protagonisten in Schwingung versetzt werden.
Dennoch kommt der Film natürlich nicht ganz ohne künstlerische Freiheiten aus: So befindet sich beispielsweise das Hubble fälschlicherweise in direkter Nähe zur Internationalen Raumstation, die Auswirkungen des Satelliten-Zwischenfalls auf die Funkkommunikation werde übertrieben dargestellt und viele Szenen entsprechen nicht ganz den in der Schwerelosigkeit gültigen physikalischen Gesetzen. Dennoch kann Gravity wohl die realistischste Darstellung der Raumfahrt seit Apollo 13 attestiert werden.
George Clooney (2009) |
So ist Gravity insgesamt ein ziemlich zweischneidiges Schwert. Während Inszenierung, Kamera-Arbeit und Spezialeffekte an Perfektion grenzen und den Action-Szenen eine unglaublich intensive Wirkung verleihen, hat das Drehbuch zu viele Schwächen, um den Film als das Meisterwerk bezeichnen zu könne, als das es vielerorts gehandelt wird. Wegen der atemberaubenden Bilder und der hohen Spannung sollte man sich Gravity dennoch unbedingt auf der großen Leinwand ansehen.
Trailer:
Urheber des Fotos von Sandra Bullock ist Richard Goldschmidt. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 3.0 Unported (CC BY 3.0).
Urheber des Fotos von Alfonso Cuarón ist Gage Skidmore. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Urheber des Fotos von George Clooney ist Nicolas Genin. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY-SA 2.0)