Donnerstag, 10. Oktober 2013

Filmkritik: Frances Ha (2012)

Von den Kritikern gelobt, doch an den Kinokassen nur wenig erfolgreich: Die Tragikomödie Frances Ha von Noah Baumbach erzählt von einer jungen Frau in New York, die Tänzerin werden will. 

Sophie (Mickey Summer) und Frances (Greta Gerwig)
© Copyright Pine District, LLC./ MFA+ FilmDistribuion e.K.
Der Schauplatz ist New York, die Bilder sind in körnigem Schwarz/Weiß gedreht. Eine ernstzunehmende Geschichte gibt es eigentlich nicht, stattdessen begleitet die Kamera die sich in einer Identitätskrise befindliche Hauptfigur des Films bei einer Reihe von mehr oder weniger alltäglichen Begebenheiten, die größtenteils in einer humorvollen Art und Weise dargestellt werden. Ja, ein Vergleich zu Woody Allens Klassiker Manhattan (1979) drängt sich irgendwie auf, wenn man sich Noah Baumbachs Independent-Komödie Frances Ha ansieht, die seit dem 1. August in den deutschen Kinos läuft. Und tatsächlich äußerte der Regisseur in Interviews, dass er sich beim Look des Films an den frühen Werken Allens orientierte. Doch abgesehen von diesen eher oberflächlichen Ähnlichkeiten handelt es sich doch um zwei sehr unterschiedliche Filme, was unter anderem an den recht gegensätzlichen Hauptfiguren liegt. Statt eines zynischen Intellektuellen in der Midlife-Crisis steht in Frances Ha eine 27-jährige Tänzerin im Mittelpunkt, die Schwierigkeiten hat, ihr Leben auf die Reihe zu bekommen. Frances (Greta Gerwig) wohnt mit ihrer besten Freundin Sophie (Mickey Summer) in einer WG und macht eine Ausbildung bei einem Tanzensemble in Brooklyn. Doch als Sophie beschließt, in einen anderen Stadtteil zu ziehen, zieht dies eine Reihe von Veränderungen für Frances nach sich...

Greta Gerwig, die zusammen mit Baumbach auch das Drehbuch geschrieben hat, legt Frances als eine ausgesprochen ungewöhnliche Protagonistin an, die in ihrer naiven Skurrilität auf der einen Seite sehr sympathisch ist, auf der anderen aber in vielen Situationen zum Fremdschämen einlädt. So ist diese Figur gleichzeitig überspitzt und wirkt dennoch realistisch, was sich auch über die vielen grotesken Situationen und Gespräche sagen lässt, die im Verlaufe des Films gezeigt werden. Frances steht hierbei für eine Generation, die erst deutlich später erwachsen werden muss, als dies früher der Fall war, und deren Leben von viel Freiheit, aber auch von viel Unsicherheit geprägt ist. Frances lebt, wie so viele in ihrem Alter, ziellos vor sich hin und der Film nimmt sich in seiner Struktur diesen Lebensstil zum Vorbild. Denn auch wenn die Protagonistin durchaus die eine oder andere Prüfung zu bestehen hat und eine gewisse Entwicklung durchmacht, sind Dramaturgie und Spannung keine Schwerpunkte in Baumbachs Inszenierung. Aber auch der Humor ist eher von der subtilen Sorte, weshalb der Film insgesamt nicht unbedingt als fesselnd zu bezeichnen ist.

Dies sind Aspekte, die mich in Manhattan gestört haben und auch hier hätte ich mir stellenweise einfach etwas „mehr“ gewünscht. Dass mir Frances Ha insgesamt dennoch recht gut gefallen hat, liegt vor allem an zwei Dingen: Zum einen ist die Hauptfigur so gut geschrieben und gespielt, dass es eine Freude ist, 90 Minuten mit ihr zu verbringen. Zum anderen, und da besteht ein weiterer großer Unterschied zu Allens Klassiker, hat die Geschichte einen emotionalen Kern, der den Film zu mehr macht als eine reine Komödie. Frances erfährt, dass sie das Tanzensemble verlassen muss und entscheidet sich in einer Kurzschlusshandlung zu einem Wochenendausflug nach Paris. Dort angekommen will sie sich mit einer Freundin treffen, die sie jedoch nicht erreicht, weshalb sie ihre Zeit schließlich mit ziellosen Wanderungen durch die Stadt verbringt. In einem Telefonat mit Sophie versucht Frances, ihre Frustration und Einsamkeit zu überspielen, doch in Greta Gerwigs Schauspiel sind sie dennoch offenbar und für den Zuschauer deutlich mitfühlbar. Und in diesem Moment wird spätestens deutlich, dass Frances Ha mehr ist, als eine Aneinanderreihung humorvoller Ereignisse. Es geht um den Wunsch danach, einen Platz in dieser Welt zu finden, an dem man sich zu Hause fühlen kann, und darum, wie schwierig es sein kann, diesen in unserer heutigen Welt zu finden.

Da Frances Ha weder besonders spannend noch zum Wegschmeißen lustig ist, muss man als Zuschauer schon etwas Geduld mitbringen. Doch das wird belohnt, denn der Film hat nicht nur eine der ungewöhnlichsten Protagonistinnen dieses Kinojahres, sondern erzählt auch viele Wahrheiten über das Leben der Mittzwanziger am Anfang des 21. Jahrhunderts.

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Auch wenn Frances Ha nun schon in der 11. Woche läuft, ist er deutschlandweit immer noch in ca. 50 Kinos zu sehen. Wo genau steht auf kino.de. Ab 3. Dezember ist der Film außerdem auf DVD und BluRay erhältlich.