Sonntag, 6. Januar 2013

Filmkritik: Der Hobbit – Eine unerwartete Reise (2012)

Peter Jacksons erneute Reise nach Mittelerde ist nun schon seit gut drei Wochen in den deutschen Kinos und verweilt hartnäckig auf dem ersten Platz der Charts. Doch ist dem neuseeländischen Regisseur tatsächlich ein weiteres Meisterwerk gelungen? Oder ist Tolkiens Vorlage für eine Verteilung auf drei Filme im wahrsten Sinne des Wortes zu dünn?

Peter Jackson
Literaturverfilmungen machen es einem nicht leicht. Denn so sehr man sich auch vornimmt, dem Film so unvoreingenommen wie möglich zu begegnen, erwischt man sich dann doch häufig dabei, die Interpretation des Regisseurs mit den eigenen beim Lesen entwickelten Bildern abzugleichen und sich über die meist unvermeidbaren Auslassungen und Veränderungen zu ärgern.
Als Peter Jackson von 2001 an seine Verfilmung von J.R.R. Tolkiens Fantasy-Epos Der Herr der Ringe (im Folgenden HDR genannt) in die Kinos brachte, hatte ich gegenüber Tolkien-Fans einen großen Vorteil: Ich kannte die Bücher noch nicht und war daher völlig überwältigt von Peter Jacksons epischer Erzählung aus Mittelerde. Beim späteren Lesen der Bücher präsentierte sich mir eine noch komplexere Welt und es gab viele Episoden, die in den Filmen gefehlt hatten (wie die Befreiung des Auenlandes), doch trotzdem kann ich bis heute gut mit den Unterschieden zwischen den beiden Werken leben.

Nun hat sich Peter Jackson entschieden, auch eine Verfilmung zu der vor HDR erschienenen, deutlich kürzeren und an ein eher junges Publikum gerichteten Geschichte Der kleine Hobbit zu inszenieren. Verblüffend ist hierbei, dass Jackson und die produzierenden Studios sich dennoch für die Aufteilung des Buches in drei Kinofilme entschieden haben. Da die Geschichte des eher dünnen Bandes selbst nicht genug Stoff dafür hergeben würde, spielen in den Filmen auch Ereignisse eine Rolle, die zur selben Zeit in Mittelerde geschehen, aber lediglich in den Anhängen zu HDR erwähnt werden: Vor allem der Konflikt um die Festung Dol Guldur.
Da ich Der kleine Hobbit bereits gelesen habe, bin ich nun mit ganz anderen Vorraussetzungen ins Kino gegangen als bei der Originaltrilogie. Vielleicht ist dies einer der Gründe, warum mich Peter Jackson dieses Mal leider nicht völlig überzeugen könnte.

Ian McKellen
Der erste Teil der Verfilmung, Der Hobbit – Eine unerwartete Reise, beschreibt, wie Bilbo Beutlin (Martin Freeman) eines Abends von dem Zauberer Gandalf (Ian McKellen) und 13 Zwergen überrascht wird, die ihn bei einer gefährlichen Mission dabei haben wollen. Es geht um die Befreiung des Berges Erebor, der einst von Zwergen bewohnt wurde und einen großen Goldschatz beherbergte. Dieser lockte jedoch den Drachen Smaug an, der die Stadt zerstörte und den Berg einnahm. Unter der Führung von Zwergenkönig Thorin Eichenschild (Richard Armitage) soll Smaug nun wieder aus Erebor vertrieben und der Schatz gerecht unter den Teilnehmern der Mission aufgeteilt werden. Bilbo, der von Gandalf als Meisterdieb vorgestellt wird, soll dabei helfen. Dieser ist jedoch zuerst gar nicht begeistert und es bedarf einiger Überzeugungsarbeit, um ihn aus seinem gemütlichen Zuhause zu locken. Doch der Weg nach Erebor ist lang und es lauern viele Gefahren…

Filme, die versuchen an den Erfolg eines als Meisterwerk eingeschätzten Vorgängers anzuschließen, haben es sehr schwer, den großen Erwartungen der Fans gerecht zu werden. Und auch dem Hobbit gelingt dies tatsächlich nur eingeschränkt. Dies liegt vor allem daran, dass Peter Jackson versucht, sowohl der kindgerechten Märchenhaftigkeit der Vorlage gerecht zu werden als auch actiongeladene Schlachten wie in seinen HDR-Filmen zu präsentieren, was zu einer gewissen Unausgewogenheit führt. Die sehr schön die Stimmung des Buches einfangende Einleitung in Hobbingen, die begriffsstutzigen Trolle und der skurrile Orkkönig wollen nicht so recht zu den brutalen Actionszenen und ernsten Dialogen passen, die die Geschichte immer wieder unterbrechen. Besonders ärgerlich ist es, wenn eine märchenhafte Szene im Buch, in der Bilbo sieht, wie sich in der Ferne Riesen mit Felsen bewerfen, zu einer übertriebenen Actionszene umgeschrieben wird, anscheinend nur deshalb, weil die letzte schon länger hergewesen ist. Aber auch die humorvollen Szenen sind nicht immer gelungen. Besonders der etwas schusselige Zauberer Radagast, der in der Vorlage nur am Rande erwähnt wird, sorgt für einige übertrieben alberne Szenen, die auch einfach unangemessen für die Darstellung eines der Istari, der großen Zauberer von Mittelerde, sind.
Als weiteren Kritkpunkt muss man auch noch anführen, dass auch unter Einbeziehung der Anhänge die Geschichte keinesfalls den gleichen epischen Charakter annimmt wie Der Herr der Ringe. Dass die Filme dennoch eine recht epische Länge von jeweils etwa 2,5 Stunden besitzen, führt daher zwar nicht unbedingt zu Langeweile, aber ein wenig gedehnt wirkt die ganze Erzählung schon.

Martin Freeman
Doch es gibt keineswegs nur Negatives über den Hobbit zu sagen, denn trotz all dieser Kritikpunkte macht es einfach Spaß, endlich wieder im Kino in die Welt von Mittelerde einzutauchen. Dies liegt natürlich zu großen Teilen an der visuellen Brillanz des Filmes. Die wunderschönen Landschaften Neuseelands, die liebevoll gestalteten Sets und die makellosen Spezialeffekte sorgen dafür, dass wirklich jede Einstellung eine reine Augenweide ist.
Auch die Besetzung ist wieder einmal tadellos: Neben alten Bekannten wie Ian McKellen als Gandalf (mit neuer, aber passender Synchronstimme) und Hugo Weaving als Elrond, die problemlos in ihre alten Rollen zurückfinden, ist vor allem Martin Freeman hervorzuheben, der wirklich die perfekte Besetzung für Bilbo Beutlin ist. Aber auch die Darsteller der Zwerge sind ausnahmslos überzeugend und schaffen es mit ihrem Spiel (und der Unterstützung der Make-Up-Artists, die hier eine oscarreife Leistung abliefern), dass man die Zwerge tatsächlich als Individuen wahrnimmt, während sie in der Vorlage eher schwierig zu differenzieren waren.

Auch die lange Laufzeit hat keineswegs nur Nachteile: Denn es gibt, was bei Literaturverfilmungen ja durchaus etwas besonders ist, kaum Auslassungen zum Buch. Zu einigen Veränderungen ist es aber schon gekommen, die aber zu großen Teilen nachvollziehbar sind: Dass z.B. der Ork Azog und sein Sohn Bolg im Film zu einer einzelnen Figur verschmelzen, ist durchaus sinnvoll um einen größeren Antagonisten aufzubauen, ohne den der erste Film wohl wie eine Aneinanderreihung von unzusammenhängenden Episoden hätte wirken können.

Zu einer vieldiskutierten technischen Besonderheit des Filmes kann ich leider nichts sagen. In unserem Kino wurde Der Hobbit statt mit der erhöhten Bildrate von 48 Bildern/Sekunde nur mit den herkömmlichen 24 Bildern/Sekunde gezeigt, was vor allem in Actionszenen zu störender Bewegungsunschärfe führte. Wer die Möglichkeit hat, sollte der technischen Neuerung also eine Chance geben.

Insgesamt ist Peter Jackson mit dem Hobbit leider kein erneutes Meisterwerk gelungen. Dennoch ist der Film ein sehr unterhaltsames Fantasy-Abenteuer, dass Fans von Tolkiens Werk oder der Herr-der-Ringe-Filmtrilogie keinesfalls verpassen sollten. Man darf gespannt sein, ob die beiden weiteren Teile, die im Dezember 2013 und im Juli 2014 erscheinen sollen, diese Qualität halten oder gar überbieten können.

   


Urheber des Fotos von Peter Jackson ist Natasha Baucas. Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).
Urheber des Fotos von Ian McKellen ist Stefan Servos Es steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 3.0 Unported (CC BY-SA 3.0).
Urheber des Fotos von Martin Freeman ist Fat Les. Es steht unter der Creative Commons Lizenz Namensnennung 2.0 US-amerikanisch (nicht portiert) (CC BY 2.0).